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Akrobatin Colette Marchant (Eva Green) mit dem kleinen Elefanten Dumbo.

© Disney/dpa

Tim Burtons Remake von „Dumbo“: Elefant im Wunderland

Schweben wie eine Feder: Tim Burton verlegt den Disney-Klassiker „Dumbo“ ins Jahr 1919 und flankiert den Babyelefanten mit neuem Menschenpersonal.

Realfilm? Nun ja. Was Disney im Rahmen seiner Neuverfilmungsoffensive hauseigener Zeichentrickklassiker aus „Dumbo“, dem allerliebsten Herzensbrecher von 1941, macht, verfügt über Anleihen aus der wirklichen Welt. Sie beschränken sich allerdings auf Schauspielerinnen, Statisten und deren Kostüme. Und die Kulissenbauten der komplett im Studio gedrehten Produktion.

Doch die in der Saga vom Elefantenbaby mit den Segelohren bislang essenziellen Charaktere, allesamt Tiere, wurden genauso wie die Landschaften und Hintergründe per CGI-Technik generiert. Was noch viel deutlicher hervortritt als vor einem halben Jahr beim Winnie-Pooh-Märchen „Christopher Robin“. Und genauso wie es als Nächstes bei der Neuauflage von „Aladdin“ zu sehen ist, in der zwar kein Tier die Hauptrolle spielt, aber dafür Will Smith ab dem 23. Mai als Dschinn aus der Flasche schlüpft.

Was für eine verschwenderische Fülle dreidimensionaler Schauwerte diese Transformation ermöglicht, hat Kinofantast Tim Burton schon 2010 in der Realverfilmung von „Alice im Wunderland“ ausprobiert. Sie geriet zu einem prachtvoll anzusehenden, aber kalten Rausch von Farben, Deko, Fabelwesen. Keine Spur mehr vom morbid-subversiven Humor und dem romantischen Zauber des von Disney schon als Student geförderten Zeichners und Regisseurs, dem reihenweise visuell stilprägende Werke wie „Edward mit den Scherenhänden“, „Nightmare before Christmas“ und „Mars Attacks“ gelungen sind. Wie es halt so geht, wenn ein skurriler Stop-Motion-Reanimateur zur Marke mit sattem Produktionsbudget wird.

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Da hatte man schon ein bisschen Angst um „Dumbo“. Denn trotz zweier inzwischen diagnostizierter zeittypischer Rassismen ist das in der Regie von Ben Sharpsteen entstandene Original ein hinreißend reinherziges und mit 64 Minuten Laufzeit angenehm griffiges Werk. Noch dazu eins, dessen Ästhetik sich im Gegensatz zum heute zuckersüß und klebrig wirkenden Disney-Strich der sechziger Jahre kein bisschen abgenutzt hat.

Danny DeVito gibt den zerbeulten Zirkusdirektor

Tim Burtons im Jahr 1919 spielende Version hat damit tatsächlich nur die Themen Zirkus, Familienliebe und Freundschaft gemein. Und natürlich das Motiv der mit dem Makel zu großer Ohren behafteten, verachteten Missgeburt, die sich zum fliegenden Star in der Manege mausert. Diesmal nicht von sprechenden Tierkumpels, sondern von völlig neuem, der Geschichte die eigene Perspektive überhelfendem Menschenpersonal flankiert. Wobei Danny DeVito als zerbeulter Zirkusdirektor Max Medici am meisten Sympathiepunkte scheffelt.

Schlechter als um dessen maroden Wanderzirkus steht es nur noch um seinen einstigen Star Holt Farrier (Colin Farrell). Als seine Kinder den Kriegsheimkehrer am Bahnhof abholen, ist dem Trickreiter nicht nur zwischenzeitlich die Gattin verstorben, sondern auch der linke Arm auf dem Schlachtfeld geblieben.

So werden er und seine von der schrägen Zirkusfamilie betreuten Kinder Milly (Nico Parcer) und Joe (Finley Hobbins) zu Elefantenwärtern. Die wissenschaftsbegeisterte Milly ist es denn auch, die Mrs. Jumbos Nachwuchs das Fliegen beibringt. Und was dient als Übungsfetisch? Na klar: Federn! Als dann noch V. A. Vandevere (schön aasig: Michael Keaton) auftaucht, um Dumbo für seinen Vergnügungspark Dreamland einzukaufen, scheint es ausgemacht, dass im Anderssein die Rettung des Entertainments liegt. Doch Obacht, der Profithai hat die Rechnung ohne Tugenden wie Dickhäuterliebe und Zirkusfreak-Solidarität gemacht.

Zu einer guten Show gehören andere Attraktionen

Eigenartig, dass ausgerechnet ein Disney-Film die kühle Steam-Punk-Mechanik eines glitzernden Freizeitparks als reine Geldmaschine geißelt. Immerhin betreibt der Unterhaltungskonzern selbst genau solche. Im Film ist der Amüsementpark als XXL-Coney-Island vor der Skyline New Yorks angesiedelt. Ein urbanisierter, Massen durchschleusender Gegenentwurf zur untergehenden Welt des Zirkusdirektors Medici, der mit seiner Truppe über die Dörfer zieht.

Zirkusfamilie. Holt Farrier (Colin Farrell), seine Kinder Milly (Nico Parker) und Joe (Finley Hobbins) mit Dumbo.
Zirkusfamilie. Holt Farrier (Colin Farrell), seine Kinder Milly (Nico Parker) und Joe (Finley Hobbins) mit Dumbo.

© Disney

Für das Traditionsunternehmen Ringling Bros. and Barnum & Bailey kommt die im Film schließlich selbst vom alten Medici begriffene Botschaft sowieso zu spät: „Wilde Tiere gehören nicht in den Zirkus.“ Dort stellte man 2016 die Elefantenshow ein, um prompt ein Jahr später Pleite zu machen. Nach 146 Jahren. Der neue „Dumbo“ dagegen postuliert, dass zu einer guten Show andere Attraktionen gehören. Und dass auch die armen Millys Wissenschaftlerinnen werden können.

Sieht man mal von den Dekor-Manierismen ab, die diesmal leidlich im Zaum bleiben, hätte es für das supersüße Elefantenbaby deutlich schlimmer kommen können. So wie für die Musik, die einst vom Oscar-prämierten Tränenzieher „Baby Mine“ bis zur jazzigen Cab-Calloway-Hommage „When I See an Elephant Fly“ reichte. Davon ist nur das ikonische Wiegenlied in einer Lagerfeuer-Version übrig geblieben. Andere Songs lässt Burtons Stammkomponist Danny Elfman nur in Zitaten aufscheinen und gießt stattdessen die eigene Allerweltssauce sphärischer Engelschöre drüber.

In 20 Berliner Kinos. OV: Cinestar Sony Center, OmU: Kulturbrauerei

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