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Der Chirurg Paul Kersey (Bruce Willis) jagt auf eigene Faust die Mörder seiner Frau.

© Universum

Thriller "Death Wish" mit Bruce Willis: Kinofilm glorifiziert amerikanische Waffenkultur

Bruce Willis als einsamer Rächer: Der Selbstjustiz-Thriller „Death Wish“ wirkt angesichts von Diskussionen über Polizeigewalt hoffnungslos aus der Realität gefallen, findet unser Autor.

Von Andreas Busche

Das Jobprofil eines Vigilanten ist heutzutage komplizierter als vor 40 Jahren. Mittlerweile rechtfertigt auch die Philanthropie eines öffentlichkeitsscheuen Milliardärs noch keine Selbstjustiz, Christopher Nolan hat in seinen „Batman“-Filmen den Mythos des „Dark Knight“ nach allen Regeln der Kunst demontiert. Und auch Architekten genießen in Zeiten fehlgeleiteter Städteplanung keinen Freibrief mehr zur Verbesserung unserer Lebenswelten. Eli Roth muss sich in seinem Rache-Thriller „Death Wish“ also ziemlich strecken, um seinen Protagonisten zu legitimieren.

Charles Bronson spielte in Michael Winners Original von 1974 (hierzulande unter dem Titel „Ein Mann sieht rot“ bekannt) einen Architekten, dessen Familie bei einem Überfall getötet wird. Und der anschließend einen blutigen Rachefeldzug gegen den Abschaum in den Straßen von New York startet. In Eli Roths Remake ist Bruce Willis’ Paul Kersey ein angesehener Chirurg, der einem Polizisten erst den Tod des Partners in der Notaufnahme erklären muss und danach zur Rettung des Täters eilt. Der hippokratische Eid ist eine Bitch, wenn man über Roths verquastes Gerechtigkeitsempfinden verfügt.

Von New York nach Chicago verlegt

Ein Film wie „Death Wish“ wirkt heute – angesichts von Diskussionen über Polizeigewalt und stärkere Waffenkontrollen – hoffnungslos aus der Realität gefallen. Der unverhohlene Rassismus des Originals sorgte schon in den siebziger Jahren für Kritik, dennoch zog Winners Film vier Sequels nach sich, alle mit Bronson. Auf dessen Figur bezog sich auch Bernhard Goetz, als er 1984 vier schwarze Jugendliche in der New Yorker U-Bahn erschoss, weil er sich bedroht fühlte.

Roth hat seinen Film nach Chicago verlegt, die Stadt mit der höchsten Mordrate in den USA. Eine Weile kursierte an der Southside der Name „Chi-Raq“, weil auf den Straßen Chicagos mehr Menschen starben als bei den US-Einsätzen im Irak. Spike Lee hat über das Problem der Gang-Gewalt einen kritischen und bitter- komischen Film gemacht, doch in „Death Wish“ fungiert die Stadt nur als mörderische Kulisse. Kein Wunder, Roth kommt vom Horrorfilm. Mit „The Hostel“ machte er das Genre des „Torture Porn“ salonfähig: ein Versuch, mit der Mischung aus Sadismus und zynischem Humor die gute alte Zeit des Exploitationkinos wiederzubeleben. Winners Original war seinerzeit ein Crossover zwischen Mainstreamkino und B-Movie, doch dieser Transfer funktioniert heute ohne Verfremdungseffekt nicht mehr problemlos.

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Es gibt zweifellos besseres Material, um eine Lanze für das Genrekino der siebziger Jahre zu brechen; Roths Kumpel Tarantino beherrscht das, auch Shane Black und Ben Wheatley mit Abstrichen. Wenn Kersey, frustriert von den polizeilichen Ermittlungen, Waffen shoppen geht, zeigt „Death Wish“ einen kurzen Anflug von Satire. Der NRA-Werbefilm, der im Geschäft läuft, ist gut, auch die Idee eines „taktischen Möbels“, ein hässlicher Beistelltisch, der auf Knopfdruck eine automatische Waffe freigibt. Aber der slicke Stil, der zuletzt in „John Wick“ mit Keanu Reeves oder „The Equalizer“ mit Denzel Washington zur Signatur des Law-and-Order-Genres wurde, ist als ästhetische Haltung zu affirmativ, als dass Roth am Thema Selbstjustiz etwas anderes als das Recht des Stärkeren interessieren würde. Der Chor von Radiomoderatoren, die die Taten des „Grim Reaper“, der die Straßen Chicagos säubert, kommentieren (das Meinungsspektrum ist breit), dient nur als moralisches Feigenblatt.

Bruce Willis hat schon bessere Tage gesehen

Roth ist sich der rassistischen Prämisse von „Death Wish“ bewusst: Willis’ Widersacher am oberen Ende der Gewalthierarchie sind keine Afroamerikaner und Latinos, sondern Weiße. Aber viel mehr geht es ihm um visuelle Gags – wie die Parallelmontage, in der Kersey seine Waffen sortiert und sein chirurgisches Werkzeug präpariert. Der Doc hat ein Händchen fürs feine wie fürs grobe Besteck.

Das lässt sich weder über Roth noch seinen Star behaupten. Bruce Willis’ letzter guter Film liegt schon eine Weile zurück, seine Karriere befindet sich etwa an dem Punkt, an dem der alternde Charles Bronson stand, als B-Movie-Mogul Menahem Golan ihn 1982 für „Death Wish 2“ reaktivierte. Mitleid verdient Willis deswegen nicht. Und auch „Death Wish“ muss man keine Träne nachweinen.

In 13 Berliner Kinos, OV: Cineplex Karli, Cinestar Sony-Center

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