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Thomas Kilppers Installation "Entwurzelt" schenkt einem umgestürzten Ahornbaum aus dem Körnerpark ein zweites Leben.

© Nihad Nino Pusija

Thomas Kilpper im Körnerpark: Mit Baumkunst gegen Rassismus

Politisches Wurzelwerk: Thomas Kilppers Drucke und Skulpturen in der Galerie im Körnerpark thematisieren rechte Gewalt.

Eine Sturmböe reichte und der alte Ahornbaum vor der Galerie im Körnerpark krachte letzten Sommer zu Boden. Was damit tun? Zum Entsorgen war der mächtige Koloss viel zu schade. Mitsamt Wurzelwerk, schrundiger Rinde und kahlem Geäst liegt das urbane Strandgut jetzt drinnen hinter den eleganten Rundbogenfenstern – und ist auf einmal selber Kunst. Der für seine kritisch-politischen Eingriffe bekannte Berliner Künstler Thomas Kilpper, der nebenher die freie Ausstellungsplattform „After the butcher“ in Lichtenberg betreibt, hat den Baum zum Zentralstück seines partizipativen Ausstellungsprojekts „Entwurzelt“ gemacht.

Inhaltliches Upcycling quasi. Schön sperrig nimmt der Baumriese, in wuchtige Abschnitte zersägt, den langgestreckten Galerieraum in Beschlag. Wundersamerweise sprießen hier und da sogar winzige grüne Triebe aus der Borke. Entwurzeltes kann zu neuem Leben erwachen. Aber nur wenn die Umweltbedingungen stimmen. Genau darum geht es in Kilppers produktiv-plakativer Indienstnahme des Fundstücks.

Kohlezeichnungen von brennenden Flüchtlingsunterkünften

Entwurzelt sind auch die Geflüchteten und Angekommenen, Emigrierten und Asylsuchenden, die hierzulande auf Solidarität hoffen und angewiesen sind. Welche Bedingungen finden sie vor? In seiner 2016/17 entstandenen Serie von Kohlezeichnungen „Burn Out“ zeigt Kilpper über 30 brennende Flüchtlingsunterkünfte. In kontrastreichem Schwarz-Weiß nach Pressefotos gezeichnet sieht man Flammen lodern, Feuerwehrleute im Einsatz, aber nicht die zu Opfern gemachten Menschen. Sie treten in anderen Arbeiten Kilppers auf.

Seit Jahren bedient sich der Künstler vor allem der traditionellen Holzschnitttechnik. Oft rammte er sein Schnitzmesser dabei direkt in die Fußbodendielen leer stehender Gebäude und den Boden in einen riesigen Druckstock, etwa 2009 in einem leer stehenden Stasigebäude in der Normannenstraße. Ein Abzug aus der dort entstandenen Serie „State of Control“ ist jetzt wieder ausgestellt, denn Kilppers Themen wachsen rhizomartig weiter. Auf dem großformatigen Holzschnitt treffen mit Baseballschlägern bewaffnete Neonazis auf Vietnamesen.

Was braucht es, um Wurzeln zu schlagen?

Weitere neu entstandene Drucke zeigen NSU-Morde, Brandanschläge auf türkischstämmige Familien, rassistische Attentate, Protestdemonstrationen dagegen, aber auch staatliche Akteure, die die Aufklärung behinderten. Bei dem 2012 auf offener Straße in Neukölln erschossenen 22-jährigen Burak Bektas wollte das Gericht keinen fremdenfeindlichen Hintergrund erkennen. Auch dies macht Kilpper zum Thema. Seine aus Sperrholzplatten gefertigten Druckstöcke hängen wie sperrige Blätter im Astwerk des entwurzelten Baums. Dem ist aus zusammengenagelten Balken, Brettern und Bohlen eine neue Baumkrone bis unter die Galeriedecke gewachsen.

Darunter nistet, im Schatten des konstruktivistischen Geästs, eine Mitmach-Druckwerkstatt mit einladenden Arbeitstischen und farbverschmierten Lappen. Neuköllner Gruppen, Initiativen, und Schülerinnen haben bereits begonnen, die von Kilpper angesprochenen Themen auf ihre Weise weiterzudenken und ebenfalls in Holz zu schneiden. Die Früchte ihrer Arbeit lassen Kilppers Installation weiterwachsen. „Keiner mich anfassen“ und „Freundschaft“ steht auf einem der ungelenken Holzschnitte. Was braucht es, um Wurzeln zu schlagen? Parallel diskutiert der Künstler immer wieder weiter mit anderen Kulturschaffenden, mit welchen Strategien Kunst gegen Rassismus und rechte Gewalt wirken kann.

Galerie im Körnerpark, bis 4. Juli, täglich 10-20 Uhr

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