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Brandenburg, Neuruppin: Als rastender Wanderer mit Stock und Hut wird der Dichter Theodor Fontane als Denkmal im Stadtzentrum dargestellt.

© Jens Kalaene/dpa

Theodor Fontane als Theaterkritiker: Sportsmann auf großer Jagd

Theodor Fontane schrieb fast zwanzig Jahre lang Theaterkritiken. Jetzt sind sie als Edition erschienen. Sie verraten viel über die Bühnen der Zeit - und ihre Moral.

Ob „Frau Jenny Treibel“, „Irrungen, Wirrungen“ oder „Effi Briest“: Fontanes Romane finden immer wieder den Weg auf deutsche Bühnen. Adaptionen bestimmen die Spielpläne – und erfreuen sich gemischter Beliebtheit. Es gab sie schon zu Fontanes Lebzeiten, auch wenn noch die genuinen Stücke dominierten: Flauberts „Madame Bovary“ etwa oder Wilhelmine von Hillerns weniger berühmte „Geier-Wally“, die die Autorin noch höchstselbst bearbeitete.

Theodor Fontane war bei der Aufführung am 8. Oktober 1881 zugegen und rühmt sie in seiner anschließenden Kritik als „großen Erfolg“. Fontane war fast zwanzig Jahre lang, von 1870 bis 1889, professioneller Theaterkritiker der liberalen „Vossischen Zeitung“. Im Königlichen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt hatte er seinen Stammplatz, den Parkettplatz Nr. 23. Dort saß er und machte Notizen. Ein bis zwei Tage später standen seine Kritiken im Blatt, 649 insgesamt.

Über Regieleistungen schreibt Fontane nie

Sie sind jetzt vollständig in einer vierbändigen, kommentierten Kassette als Abteilung der „Großen Brandenburger Ausgabe“ erschienen, eine riesige Editionsleistung der Literaturwissenschaftlerinnen Gabriele Radecke und Debora Hermer an der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Universität Göttingen. Die Besprechungen bilden nicht nur ab, welche Stücke gespielt wurden – von Klassikern wie Shakespeare, Goethe, Kleist, von Zeitgenossen und heute vergessenen Autoren. Sie zeigen auch, worauf in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Fokus liegt: auf den Stücken selbst. Fontane fasst sie ausführlich zusammen, nimmt mitunter ihre „Moral“ aufs Korn und geht auf die Leistungen der Schauspieler ein. Über die Regieleistung dagegen schreibt er nie.

Kurz vor dem Aufbruch nach Frankreich und seiner Gefangennahme: Fontane 1869 mit 50 Jahren.
Kurz vor dem Aufbruch nach Frankreich und seiner Gefangennahme: Fontane 1869 mit 50 Jahren.

© Repro: Andreas Klaer

Er konnte heftig und böse austeilen

Gelegentlich schweift Fontane ab und widmet sich Gesprächen bei Lutter und Wegner. Auch da – wie übrigens so oft in seinen Romanen – spricht man über Theater. Einmal zitiert er den Schauspieler Theodor Döring, der sich über den Berliner Kritiker an sich auslässt – „ein ganz eignes Gewächs“. „Andere Kritiker nehmen es, wie’s fällt, und bringen die Lust mit. Ein Berliner Kritiker aber mit nichten ...“ Der sei „eigentlich ein Sportsmann und geht auf Jagd“. Fontane könnte sich angesprochen gefühlt haben, er konnte heftig und böse austeilen. Das macht die Lektüre so unterhaltsam. „Die schönen Stellungen hat Frau Clara Ziegler“, heißt es über die einst bekannte Münchner Schauspielerin, die als Phädra in Berlin gastierte, „die hohe Kunst hat sie nicht.“

Einsatz für den jungen Gerhard Hauptmann

„Da sitzt das Scheusal wieder“, will Fontane oft in den Gesichtern des Publikums um sich herum gelesen haben. Der Satz ziert den Titel eines „Best of“-Bandes im Aufbau Verlag. Aber Fontane hat Bedeutendes auch vorurteilsfrei erkannt und genau benannt. Für Ibsen und Tolstoi hat er sich eingesetzt und für die jungen Naturalisten, namentlich Gerhart Hauptmann.

Theodor Fontane: Theaterkritik 1870-1894. Vier Bände. Hrsg. von Debora Helmer und Gabriele Radecke. Berlin 2018 (Große Brandenburger Ausgabe).

Tobias Schwartz

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