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Die britische Theatermacherin Ruth Mackenzie, hier auf einer Aufnahme von 2019, jetzt im Théâtre du Châtelet gescheitert.

© Martin Bureau/AFP

Theaterturbulenzen in Paris: Théâtre du Châtelet entlässt Direktorin Ruth Mackenzie

Die britische Theatermacherin Ruth Mackenzie scheitert mit ihren Vorstellungen eines "Aktionstheaters" beim Pariser Théâtre du Châtelet.

Als infolge einer Hip-Hop-Veranstaltung in einem Salon des für 30 Millionen Euro frisch sanierten Théâtre du Châtelet im Herzen von Paris Stuck von der prächtigen Decke des darunter gelegenen Grand Foyers fiel und einen Kronleuchter beschädigte, war die neue Direktorin Ruth Mackenzie angezählt - und wurde kurz darauf dann auch entlassen.

Sie war angetreten, um zusammen mit ihrem Co-Direktor Thomas Lauriot Dit Prevost das traditionsreiche Musiktheater für neue Publikumsschichten zu öffnen, und hatte den Salon Nijinski unter dem Dach des Hauses für Clubevents geöffnet. Für einen radikalen Neuanfang sollte die Britin sorgen, die zuvor u. a. die Scottish Opera und das Holland Festival geleitet hatte und zum Dank für das von ihr kuratierte Kulturprogramm zur Londoner Olympiade 2012 von Königin Elisabeth II in den Order of the British Empire aufgenommen wurde.

Ruth Mackenzie war also nicht irgendwer, als Paris sie im Jahre 2017 mit der Aufgabe betraute, das von der Stadt geführte Musicalhaus grundlegend zu erneuern. Wobei man ihr für ihre diversen anderen Aufgaben häufige Abwesenheiten zugestand und zunächst auch einen Führungsstil, den die Belegschaft bald als etwas zu ruppig empfand. Auch war man bereit, ihr das höchst ungefähre Französisch nachzusehen – nicht aber eine Produktionspraxis, die man in einem Pariser Traditionshaus nicht gewohnt war.

Mackenzie hatte ihr Haus dem "Dau"-Projekt zur Verfügung gestellt

Die Britin gab Aufgaben, die man am Haus zu erledigen gewohnt war, an ausländische Freelancer ab, engagierte für das Eröffnungsstück unbezahlte Theaterbegeisterte in der Banlieue, statt die notorisch um Arbeit ringenden Bühnenzeitarbeiter zu beschäftigen. Vor allem hatte die eiserne Lady noch vor der Eröffnung des frisch renovierten Hauses Pech mit einem Spektakel, über das in Berlin lange und heftig gestritten worden war. Mackenzie hatte ihr im Umbau befindliches Haus für das Desaster-Projekt „DAU“ des Russen Ilya Khrzhanovsky zur Verfügung gestellt.

Plötzlich erlebten die Theaterangestellten so etwas wie eine feindliche Übernahme durch eine dubiose russische Equipe, die während des allgemein als Flop erlebten Programms Privatpartys für die Happy Few der französischen Metropole organisierte. Wie war das zu vereinbaren mit Mackenzies Anspruch auf Öffnung des Theaters für die Unterprivilegierten?

So führte sie mit dem Beginn ihrer einzigen Spielzeit ein „Robin-Hood-Schema“ ein: Sponsoren und reiche Pariser sollten Tickets spenden für diejenigen, die es sich nicht leisten können. Das Théâtre du Châtelet sollte zum „aktivistischen Theater“ werden und partizipative Formate fördern. Aber im Haus selbst verstand kaum einer so richtig, was das ist. Ein Theater also im Disruptionsmodus. Neue, vielleicht gute Ideen, aber keine Vermittlung, fehlende Kommunikation, Missverständnisse und wohl auch ein britisch-französischer Kulturkonflikt.

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Berlin kennt solche Entfremdungen zwischen Theatertraditionen und internationalem Kulturmanagement seit dem Scheitern von Chris Dercon an der Volksbühne. Er war übrigens einer der Erstunterzeichner einer öffentlichen Protestnote gegen den plötzlichen Rausschmiss der Britin. Die Umstände der äußerst ungewöhnlichen Entlassung sind unfein. Im Hintergrund war diese seit Wochen vorbereitet worden.

Zuerst aber musste die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo bei den Kommunalwahlen im Sommer wiedergewählt werden; das Scheitern einer von ihr mitverantworteten Berufung sollte ihren Wahlkampf nicht verdüstern. Co-Direktor Thomas Lauriot Dit Prevost bleibt vorerst im Amt, er verwaltet jetzt die Kollateralschäden eines großen Missverständnisses.

Eberhard Spreng

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