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Ulrich Rasche ist mit seiner „Woyzeck“-Inszenierung zu Gast.

© Sandra Then

Theatertreffen 2018: Biere, Biester, neue Gäste

Ein gigantisches Rad, eine Nobelpreisträgerin, ein Berlin-Rückkehrer: Das Programm des Theatertreffens verspricht Vielfalt.

„Das Theater ist ja, zumal in der Provinz, ein einziger Säuferverein.“ Ein schöner Satz, den Daniel Richter, der leitende Dramaturg des Theatertreffens, da auf der Pressekonferenz spricht. Okay, eigentlich zitiert er ihn. Denn diese auf Erfahrung fußende Diagnose stammt aus Thomas Melles Roman „Die Welt im Rücken“, der in der Regie von Jan Bosse als großes Joachim-Meyerhoff-Solo im Wiener Akademietheater auf die Bühne gelangt ist. Ein Abend, der in den Augen der Theatertreffen-Jury zu den zehn „bemerkenswertesten“ Inszenierungen des deutschsprachigen Raums zählt und daher nach Berlin reisen darf.

Dramaturg Richter jedenfalls nutzt Melles Beschreibung der künstlerischen Schnapsläden (die im Buch fortfährt: „In trostlosen Kantinen und holzvertäfelten Kneipen kippt man Biere und Kurze und verlallt sich die schiere Unentrinnbarkeit zu einem schummrigen Zusammengehörigkeitsgefühl zurecht“) eher zur Distanznahme: „Ich kann versprechen, dass das Theater mehr zu bieten hat.“ Abwarten.

Es ist ja ein recht diverser Jahrgang, den die Jury da gebastelt hat. Das Grand Opening mit Castorfs „Faust“, der „ein Jahr gelegen hat und nun wiedergeboren wird für das Festival“ (Intendant Thomas Oberender), verspricht schon mal viel. Nicht zuletzt einen prall gefüllten Festspiele-Garten voller kulturkundiger Menschen, die sich die sieben Stunden nicht noch mal komplett geben müssen, sondern lieber die Zukunft der Volksbühne und andere Fragen verhandeln.

Aus Hamburg kommt Falk Richters Jelinek-Inszenierung

Nicht gezeigt werden kann bekanntlich das „Nationaltheater Reinickendorf“ der munteren Extremisten um Vegard Vinge und Ida Müller, es wird gerade für das Bergen-Festival aufgebaut. Sehr schade. Der Rest der Geehrten aber folgt dem Ruf nach Berlin. Oder ist, wie Thomas Ostermeier – eingeladen mit der Didier-Eribon-Bearbeitung „Rückkehr nach Reims“ an der Schaubühne –, sowieso schon hier zu Hause. Aus Hamburg kommen Falk Richters Jelinek-Inszenierung „Am Königsweg“ (Deutsches Schauspielhaus) sowie „Die Odyssee“ (Thalia Theater) in der Regie von Antú Romero Nunes. Theatertreffen-Dauergast Karin Henkel steuert einen Zürcher Abend über den Trojanischen Krieg aus weiblicher Perspektive bei („Beute Frauen Krieg“). Und Ulrich Rasche, dessen Münchner „Räuber“ im vergangenen Jahr aus logistischen Gründen nicht gezeigt werden konnten, hat heuer mehr Glück mit einem Basler „Woyzeck“.

Anta Helena Reckes Schwarzkopie der Inszenierung „Mittelreich“

Der tragische Titelmensch wird in dieser Inszenierung auf ein gigantisches Rad gespannt, was während der Theatertreffen-Pressekonferenz ein mehr oder weniger verheißungsvoller Trailer-Rohschnitt veranschaulicht, und der anwesende Rasche darf noch erläutern, dass es sich bei seiner Deutung keineswegs um ein „Maschinen-Libretto“ handele, wie jemand lobend geschrieben haben soll, denn das klinge ja „dumpf und gleichförmig“.

So oder so merkt man schon, dass dieses Theatertreffen (4. bis 21. Mai) vor der gleichen Herausforderung steht wie auch die meisten westlichen Gesellschaften: Vielfalt aushalten und organisieren. Anstöße dazu gibt Anta Helena Reckes Schwarzkopie der Inszenierung „Mittelreich“, die zweite Produktion neben Christopher Rüpings „Trommeln in der Nacht“, die von den Münchner Kammerspielen eingeladen ist. Schauspielerin Isabelle Redfern (die, erhellendes Detail, in drei verschiedenen Städten den afroamerikanischen Part aus Ayad Akhtars „Geächtet“ spielt) sagt dazu einen Satz, über den es sich auch über dieses Theatertreffen hinaus mal nachzudenken lohnen würde: „Die meisten Zuschauer haben eine buntere Welt als Intendanten und Dramaturgen.“

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