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Der russische Theatermacher Kirill Serebrennikow.

© Damir Yusupov/AP/dpa

Theaterregisseur Serebrennikow abgesetzt: Stiller Streich in Moskau

Kirill Serebrennikow muss seine Bühne aufgeben. Sein Vertrag als künstlerischer Leiter des „GogolZentrums“ wird nicht verlängert.

Mitten in dem politischen Beben rund um den Fall Nawalny in Russland ist ein stilles Verschwinden anzuzeigen. Die Kulturabteilung der Moskauer Stadtverwaltung teilte am Dienstagabend mit, sie werde den Vertrag mit Kirill Serebrennikow als künstlerischer Leiter des „GogolZentrums“ nicht verlängern. Ende Februar laufe er aus.

Schluss. Ein paar dürre Sätze, die die staatliche Nachrichtenagentur Tass verlautbarte. Kein Kommentar. Auch vom Betroffenen nicht.

9000 Euro Geldstrafe

Serebrennikow hatte das „Gogol-Zentrum“ vor fast auf den Tag genau acht Jahren als Nachfolger eines Moskauer Stadttheaters dieses Namens gegründet. Er wollte weg vom Verstaubten, neues Theater machen, das eingreift in gesellschaftliche Prozesse.

Für seine Inszenierungen wurde er vielfach ausgezeichnet, auch international. Doch Serebrennikow beließ es nicht dabei. Er griff in Interviews die restriktive Kulturpolitik des Kremls an, bestand auf künstlerischer Freiheit. Im Mai 2017 durchsuchten die Strafverfolgungsbehörden die Wohnung des Künstlers und das Gogol-Zentrum.

Serebrennikow sollte einen Millionenbetrag an Subventionen veruntreut haben. Wenig später wurde er festgenommen, monatelang unter Hausarrest gestellt. Namhafte russische Kollegen protestierten, setzten sich persönlich beim Präsidenten Wladimir Putin für ihn ein. In Deutschland verfassten Thomas Ostermeier und Marius von Mayenburg eine an Angela Merkel adressierte Erklärung. Alles vergeblich. Monatelang stand der Künstler unter Hausarrest, dann wurde ihm der Prozess gemacht.

Lange wehrte sich Serebrennikow gegen die Vorwürfe. Er brachte Inszenierungsprotokolle bei, legte Rezensionen von Aufführungen vor, bestellte Gutachten, Zeugen sagten für ihn aus. Doch schon mit Prozessbeginn stand fest, dass Serebrennikow verurteilt werden würde.

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Als eine Richterin wagte, das Verfahren wegen der unzulänglichen, ja absurden Anklage an die Staatsanwaltschaft zurückzugeben – beinahe ein mutiger Akt in der russischen Jusitz – schritt die übergeordnete Behörde ein. Im zweiten Anlauf erhielt Serebrennikow eine dreieinhalbjährige Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde und eine Geldstrafe von umgerechnet 9000 Euro. Verbunden damit war auch ein mehrjähriges Berufsverbot in staatlichen oder vom Staat subventionierten Theatern und Filmstudios.

Seit fast einem Jahr war Serebrennikow beinahe unsichtbar. Anders als seine Mitangeklagten verzichtete er darauf, das Urteil anzufechten. „Kirill hat diese Gerichte so satt“, sagte sein Anwalt Dmitri Charitonow im Sommer vergangenen Jahres. „Nachdem er zu Unrecht verurteilt worden ist, verfiel er in Depressionen.“ Eine Beschwerde wäre auch sinnlos gewesen. Seine Mitstreiter scheiterten damit wenig später.

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