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Nicht nur Kommissarin. Maria Furtwängler als High-Society-Frauchen Chris Gormann. Die Schauspielerin ist bisher in Film und Fernsehen („Tatort“) aufgetreten. „Gut, dass ich mal nicht die souveräne, coole Charlotte Lindholm spiele“, sagt sie. Foto: Geisler-Fotopress/Bugge

© Geisler-Fotopress

Theaterdebüt: Krisen mit Chris

Berühmt geworden ist Maria Furtwängler als "Tatort"-Kommissarin Charlotte Lindholm. Jetzt steht sie zum ersten Mal auf der Theaterbühne - in einer Farce von Neil Simon am Berliner Ku’damm. Eine Begegnung kurz vor der Premiere.

Unzählige Male ist Maria Furtwängler nun schon auf allen vieren die Treppe heruntergekrochen, wieder und wieder ist sie angetrunken vor dem Sofa zusammengesunken, und jetzt heißt es einmal mehr: alles auf Anfang. Komödie ist Knochenarbeit, soll niemand denken, Schauspieler hätten da viel zu lachen. In einer Kellerflucht an der Münchner Einsteinstraße, wo auch das Jazzlokal „Unterfahrt“ beheimatet ist, wird an diesem Nachmittag drei Stunden lang akribisch an fünf Skriptseiten aus dem zweiten Akt von Neil Simons Farce „Gerüchte … Gerüchte …“ herumgedoktert. Timing, Betonung, über jeden Satz lässt sich streiten. Der amerikanische Dramatiker Simon schickt in seinem Broadway-Erfolg vier Upperclass-Paare auf eine entgleisende Party beim Vizebürgermeister von New York. Der liegt in seinem Schlafzimmer, weil er sich ins Ohrläppchen geschossen hat – vielleicht ein Selbstmordversuch. Lauter überspannte, grenzhysterische Figuren in Sorge um ihren guten Ruf sind auf der Probe zu besichtigen, darunter die angeschickerte Chris Gorman, gespielt von Maria Furtwängler – die man bisher nur als Film- und Fernsehschauspielerin („Tatort“) kannte. Bald wird das Ensemble nach Berlin übersiedeln. Im Theater am Kurfürstendamm gibt Furtwängler ihr Debüt auf der Bühne.

„Sie haben den Höhepunkt des Wahnsinns erlebt“, lacht sie einige Tage nach dem Besuch in München. Inzwischen sei viel Überspitzung wieder zurückgenommen worden, nun ginge es mehr darum, wirkliche Menschen zu zeigen, nicht Witzfiguren. Diese radikalen Richtungswechsel, dieses Herumreißen der Zügel während der Arbeit seien ihr neu, sagt sie: „Beim Dreh bleibt einem Regisseur ja keine Zeit, noch mal grundsätzlich anders zu überlegen“. Aber genau darin liege für sie der Reiz des Theaters.

Chris Gorman, ein durch und durch schusseliges High-Society-Frauchen, ist nicht eben die Rolle, die man von der Furtwängler erwartet hätte. Das weiß sie natürlich selbst. Genau deshalb hat sie den Part ja ausgewählt, die Figur, die am weitesten von ihr entfernt schien: „Die Chris ist so naiv, so fremdgesteuert, dass sie ihren Mann nicht nur fragt, ob sie bitte endlich eine Zigarette rauchen kann, sondern sogar, ob sie pinkeln gehen darf. Hallo!?“ Ja, sie hatte ihre Krisen mit Chris. Dann aber, erzählt Furtwängler, drang sie zum Kern des lieben braven Mädchens, das es verzweifelt allen recht zu machen versucht, in sich selbst vor. Und dachte: „Wie großartig, das mal in Reinkultur auf die Bühne zu bringen“. Sie ist überzeugt, dass es ihr die Zuschauer nicht verübeln werden, „dass ich mal nicht die coole, souveräne Kommissarin Charlotte Lindholm spiele.“

Kein Zweifel: Furtwängler hätte sich allein aufgrund ihres Namens für ihr Theater-Debüt jede große Bühne aussuchen können. Stattdessen tritt sie nun mit der bisher unbekannten Gruppe „Santinis“ an, die aus einem Workshop des amerikanischen Schauspiel-Coaches Larry Moss hervorgegangen ist. Pasquale Aleardi, ihr Partner aus dem TV-Zweiteiler „Schicksalsjahre“, hatte Furtwängler zum Mitmachen überredet. Die Energie und das Gemeinschaftsgefühl dieses Workshops, sagt sie, lebe im Stück von Neil Simon fort. Es bietet nur gleichberechtigte Parts, keine Hauptrolle für die prominente Newcomerin. Aber gerade das schätzt sie: „Wenn ich mich zum ersten Mal auf die Bühne stelle, spiele ich doch nicht mal eben die Penthesilea“.

Rein biografisch hätte es Maria Furtwängler viel früher zum Theater ziehen können. Ihre Mutter Kathrin Ackermann gehörte in den 60er und 70er Jahren zum Ensemble des Münchner Residenztheaters, die Tochter wuchs hinter der Bühne auf, saß im Zuschauerraum, erlebte den alltäglichen Trubel zwischen Kulisse und Kantine. Klar habe sie das geprägt, räumt Furtwängler ein. Aber die Bühne war eben das Hoheitsgebiet der Mutter, sie selbst schlug erst mal einen ganz anderen Weg ein und studierte Medizin. Sie könne sich gut vorstellen, sagt sie auf Nachfrage noch, „dass meine Mutter mich auf der Bühne sehr viel wachsamer beurteilen werde als im Film“.

Nicht, dass Maria Furtwängler ihre eigene Arbeit nicht auch kritisch reflektieren würde. Sie habe sich früher oft zu steif gefunden, hat sie verschiedentlich bekundet. Jetzt, während der Theaterproben, erlebe sie dagegen „eine mitunter glücklich machende Freiheit“. Dass Furtwängler in der Presse fast immer gut wegkommt, dass sie auch bei schwächeren Leistungen von Häme verschont bleibt, begründen böse Zungen mit ihrer Stellung als Frau des mächtigen Herrn Burda. Aber natürlich findet man in den Archiven auch Despektierliches, etwa über ihre angeblich kontrollsüchtigen Auftritte am „Tatort“-Set. Wenn man sich allerdings am Rande der „Gerüchte“-Inszenierung umhört, kommen keine Klagen, im Gegenteil. Uneitel sei sie und wahnsinnig diszipliniert. Ein Profi ohne Allüren. Sie stünde an mindestens sechs Tagen morgens bis abends auf der Probebühne, absolviere noch zahlreiche Verpflichtungen, trete nur einen Tag nach der Beerdigung ihres Vaters Anfang Januar wieder pünktlich zum Durchlauf an.

Mit Neil Simons Gossip-Welt ist Furtwängler freilich vertraut. „Gerüchte können verletzen“, sagt sie, „aber mit einer gewissen Distanz, und wenn sie besonders geschickt gebaut sind, haben sie echten Unterhaltungswert“. Simons Stücks sei jedenfalls nah an der Realität, weil „hinter der Maske einer scheinbaren Eleganz“ oft die boshaftesten Ungeheuerlichkeiten verbreitet würden. Viel Wahrheit in der Farce also. Die Männerdominanz bei Simon geht Furtwängler aber nicht gegen den Strich – gerade ihr, die das Thema, wie jüngst im Hannoveraner Doppel-„Tatort“, explizit in ihre Arbeit einbringt? „Diese Rollenaufteilung ist immer noch stark in unserer DNA eingeschrieben“, meint sie. Aber Simon entwerfe eine Art Vormärz, ein Männer-Biedermeier, das erste Brüche zeige. „Die Revolution zieht schon herauf“.

Premiere von „Gerüchte ... Gerüchte ...“, am 13.1. um 18 Uhr im Theater am Kurfürstendamm

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