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Townshend in Aktion.

© dpa

"The Who"-Legende Pete Townshend wird 70: Gott des Gassenhauers

The Kid Is Alright: Wir gratulieren Pete Townshend, dem Rockgitarristen und Mastermind von The Who, zu seinem 70. Geburtstag.

Als erste Oper der Rockgeschichte gilt „Tommy“. Darüber lässt sich streiten. The Who brachten ihr Album 1969 heraus, bereits ein Jahr zuvor war „S.F. Sorrow“ von den Pretty Things erschienen, die Lebensgeschichte eines Pechvogels von der Geburt bis zum Tod. Aber eines ist „Tommy“ mit Sicherheit: die erste Platte, deren Held dem Spielen an Flipperautomaten verfallen ist. Wahrscheinlich ist es überhaupt die einzige Platte, die einem solchen Helden gewidmet ist. „Ever since I was a young boy / I’ve played the silver ball / From Soho down to Brighton /I must have played them all“, singt Roger Daltrey triumphierend in „Pinball Wizard“, das von Tommys Aufstieg zum Weltmeister im Flipperspielen erzählt.

„Das wird ein Meisterwerk“

Auch „Tommy“ folgt der Lebensgeschichte eines Pechvogels. Aber sie reicht, anders als bei „S.F. Sorrow“, von der Geburt bis zum Weltruhm. Tommy ist ein – wie der Arbeitstitel lautete – „Deaf, Dumb und Blind Boy“, ein tauber, dummer und blinder Junge. „Seine Beschränktheit sollte ein Symbol für unsere eigene Beschränktheit sein“, sagt Pete Townshend, der fast alle Songs geschrieben hat. Am Ende zerbricht das Spiegelbild des Jedermann, er kann sehen, hören, denken und avanciert – inspiriert von Townshends Beschäftigung mit dem indischen Guru Meher Baba – zum Messias einer neuen Hypersensibilität. Zum Flipperfreak machte Townshend ihn nur deshalb, weil der Rockjournalist Nik Cohn ein solcher war. Der Band drohte während der Aufnahmen das Geld auszugehen, sie brauchten dringend publizistische Unterstützung. Cohn jubelte, als er Rohaufnahmen hörte: „Das wird ein Meisterwerk“. Townshend hingegen war überzeugt, „Pinball Wizard“ sei „das plumpeste Stück Musik“, das er je geschrieben habe: „Es klingt wie ein Music Hall Song“.

Der Gitarrist ist ein Gott des Gassenhauers. Das hatte er schon mit Who-Hits wie „I Can’t Explain“, „The Kids Are Alright“ oder „My Generation“ bewiesen. Die Songs der Who waren Kampfansagen an die Welt der Erwachsenen, mit Wut und Rückkopplungsgelärme vorgetragene Dokumente des Nichteinverstandenseins mit der Nachkriegswelt. Keine Band war um 1965 lauter als The Who, am Ende ihrer Auftritte zerlegten Pete Townshend und Drummer Keith Moon rituell ihre Instrumente und das Equipment auf der Bühne. Bei „My G-G-Generation“ stammelt und stottert Sänger Roger Daltrey, als würde er nicht mitkommen mit dem „Maximum R & B“ dieser Sturm-und-Drang- Nummer, um dann doch die Kernbotschaft an der richtigen Stelle auszuspucken: „I hope I die before I get old.“ Townshend, ein spilleriger Typ mit Wischmobhaaren, erfand eine spezielle Anschlagtechnik, „Windmill“ genannt, bei der er seine Arme wie Windmühlenräder um die Gitarre kreisen lässt.

Lautstarke Gelassenheit

The Who spielten in Woodstock und veröffentlichten nach „Tommy“ mit „Quadrophenia“ eine zweite, ebenfalls verfilmte Rockoper, die von Adoleszenzkämpfen zwischen Mods und Teds handelt. Townshend sorgte auch dafür, dass seiner Band nach dem Ende der Mod-Ära noch einmal ein künstlerischer Neuanfang gelang. Auf Alben wie „Who’s Next“ (1971) oder „Who By Numbers“ (1975) ist die Unruhe der frühen Jahre einer immer noch lautstarken Gelassenheit gewichen. Erstmals kamen bei Songs wie „Baba O’Riley“ auch Synthesizer zum Einsatz.

Der Lärm der Who, hat der Gitarrist gesagt, sei ein Ausdruck seiner Psyche. Und: „Ich habe die Who immer als Installation betrachtet“. Deshalb die Zerstörungsorgien. Irgendwann, dachte er, würde seine Musikkarriere enden und er würde Skulpturen erschaffen. Stattdessen machte er immer weiter mit der Musik, auch nachdem er 1982 bei den Who ausgestiegen war. Sein 1985 erschienenes Soloalbum „White City“ über Jugendliche in einem verrotteten Londoner Neubaugebiet ist sein vorerst letztes Meisterwerk. Am heutigen Dienstag wird Pete Townshend, der mit Roger Daltrey immer noch gelegentlich The Who wiederauferstehen lässt, seinen 70. Geburtstag. The Kid Is Alright.

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