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Unterhosenmodel in Not: Sandra Bullock muss Channing Tatums Knackarsch retten.

© Kimberley French

„The Lost City“ im Kino: Discoflamingo im Dschungel

Sandra Bullock und Channing Tatum drehen in der Actionkomödie „The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt“ die Geschlechterverhältnisse um.

In einem engen fuchsiafarbenen Glitzeroverall zu stecken, ist nicht jederfraus Sache. „Ich fühle mich wie eine nerdige Eiskunstläuferin“, schimpft die Abenteuerautorin Loretta Sage (Sandra Bullock) und rückt ihre Nerdbrille zurecht. Doch ihre Verlegerin Beth (Da’Vine Joy Randolph) kennt kein Pardon: Um Lorettas neuesten Roman zu promoten, schickt sie die zurückgezogene Schriftstellerin ausstaffiert wie einen Discoflamingo auf die Comic-Con-Bühne. Dort soll Loretta sich den Fans stellen – die wollen allerdings lieber den Mann sehen, der auf den Buchcovern Lorettas Protagonisten verkörpert: Alan (Channing Tatum), ein braungebranntes Muskelmodel mit David-Garrett-Perücke.

Ihr chaotischer Zusammenstoß ist erst der Anfang in „The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt“. Kurz darauf wird Loretta, deren Bücher auf ihren eigenen archäologischen Forschungen basieren, von einem irren Millionär (Daniel Radcliffe) gekidnappt und auf eine Dschungelinsel im Atlantik verfrachtet. Dort soll sie ihm bei der Suche nach einem legendären Schatz assistieren. Alan eilt zur Rettung, in Begleitung von Jack Trainer (Brad Pitt), einer fleischgewordenen Actionfigur. Wer hier allerdings wen rettet, steht noch lange nicht fest.

Herzerfrischend alberne Indiana-Jones-Parodie

Der Witz dieser herzerfrischend albernen Indiana-Jones-Parodie liegt auf der Hand: Die Heldin ist ein praktisch veranlagter Bücherwurm, dessen männliche Retter zwar aussehen, als ob sie eine Hundert-Kilo-Grabplatte nur anschauen müssten, um diese zu bewegen. Die aber aus verschiedenen Gründen mit Pauken und Trompeten scheitern: Jack fällt mit seiner viril-kaugummikauenden Selbstsicherheit einem Widersacher zum Opfer. Und Alan ist eben ein Model, kein Kämpfer. Seinen Überlebensrucksack hat er darum statt mit Messer und Seil mit Schönheitsmasken gegen trockene Haut gepackt. Und prügeln kann er sich erst recht nicht.

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So kämpfen Loretta und Alan nicht nur gegen die ungastliche Umgebung und den tödlichen Millionär mit Minibar im Panzer, sondern vor allem gegen Genre- und Genderklischees. Da klingen atmosphärisch schon komödiantische Vorbilder wie „Auf der Jagd nach dem Grünen Diamanten“ an, aber die Regie-Brüder Aaron und Adam Nee sind geradezu obsessiv auf eine Genderumkehr fokussiert. „Bin ich etwa die Damsel-in-Distress?“, fragt Alan irgendwann verdattert. Selbst die Kamera hat konsequent einen female gaze: Der Einzige, der seinen Körper ungeniert und unbekleidet zur Schau stellen darf, ist der freigiebige Tatum, dem regelmäßig Blutegel vom durchtrainierten Hintern gezupft werden.

Die Zielgruppe ist dabei höchst interessant: ein Ü40-Publikum, mehrheitlich Heterofrauen, die mit Harrison Fords Sprüchen groß geworden sind und die Nase voll davon haben, immer nur die Love Interest im Khakikleid als Identifikationsfigur präsentiert zu bekommen. Bullock und Tatum füllen ihre Rollen mit gehörig Selbstironie und großer Spielfreude aus. Schade nur, dass man Bullock ihr Alter dann doch überhaupt nicht ansieht: Ihren sichtbaren Falten nach zu urteilen, wäre sie 25. Das machen wahrscheinlich Alans Schönheitsmasken. (In 17 Berliner Kinos, auch OV)

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