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Erniedrigend. Julia Garner spielt Jane, die im Büro in ein Netz aus Abhängigkeit und Missbrauch verstrickt ist.

© Forensic Films

"The Assistent" auf der Berlinale: Beklemmende Missbrauchsstudie über die Filmbranche

Die Regisseurin Kitty Green erzählt auf der Pressekonferenz in Berlin, dass sie fast 100 Frauen für ihren Film interviewt hat.

Jane ringt mit den Tränen. Gerade hat sie ihr Boss mal wieder am Telefon angeschrien, jetzt muss die Assistentin (Julia Garner) dem Chef eine Entschuldigungsemail schreiben. Ihre beiden männlichen Kollegen, mit denen sie sich das Büro teilt, bauen sich ungefragt hinter ihr auf. Wie dankbar sie sei, für die Firma arbeiten zu können, diktieren sie ihr in die Tasten. Ein stiller Übergriff. Kitty Greens „The Assistant“, der im Panorama läuft, ist voll davon.

„Es ist ein Film über Gesten, Blicke und winzige Momente", sagt die Regisseurin am Sonntag auf der Pressekonferenz. Ihr Antrieb, ihn zu drehen, wurzele auch in der medialen Berichterstattung zu vergleichbaren Themen. Zu oft sei es darin nur um „das Raubtier“ gegangen. „Ich wollte untersuchen, was für ein systemisches Problem wir haben, das Männer in ihrer Machtposition bewahrt und Frauen davon fernhält“, erklärt die 35-Jährige.

New York, die Filmbranche, ein cholerischer Chef, seine junge Assistentin, die mehr und mehr spürt, wie sie sich in ein Netz aus Abhängigkeit und strukturellem Missbrauch verstrickt. Der Film bezieht sich deutlich auf die Enthüllungen um Harvey Weinstein, natürlich wartet man auf den Auftritt des „Raubtiers“. Wird es so aussehen wie der Filmproduzent, der derzeit wegen Vergewaltigung vor Gericht steht?

Der Produzent bleibt unsichtbar

Doch die Dokumentarfilmerin Green ("Casting Jon Benet") setzt in ihrem ersten Spielfilm den Chef nicht ins Bild. Er bleibt die schimpfende Stimme am Telefon, die unsichtbare Präsenz im Nebenzimmer. Die Regisseurin und Drehbuchautorin konzentriert sich auf die Opfer. Sie zeigt die jungen Schauspielerinnen, die immer wieder in seinem Büro verschwinden. Was genau sich dort abspielt? Der Film bleibt draußen. Man sieht nur Jane, wie sie mit blauen Plastikhandschuhen und einem Reinigungsspray die Flecken aus den Polstern der Besetzungscouch rubbelt.

Green hat ein halbes Jahr lang in Australien, England und den USA Interviews mit fast 100 Frauen aus verschiedenen Branchen geführt, erzählt sie in Berlin. Darunter auch ehemalige Angestellte aus Weinsteins Firmen. Sie erkannte, wie sich die Erfahrungen von Erniedrigung und sexueller Gewalt ähneln, über die Arbeitsfelder und Kontinente hinweg. Entstanden ist eine Sammlung von MeToo-Erlebnissen, die Green zu einem Tag im Büro verdichtet.

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Kameramann Michael Latham taucht diese Arbeitswelt in farbarme Bilder. Nur Janes Tasse mit der Aufschrift „Big Hug Mug“ und die bunten Fruit Loops, die sie zum Frühstück im Stehen in der kleinen Büroküche isst, leuchten als persönliche Einschreibungen durch den aspetischen Grauschleier. Einstellung für Einstellung zieht sich der Bildausschnitt um ihr Gesicht zusammen, fast ganz ohne Kamerabewegung. Man kann den äußeren Druck förmlich spüren.

Opfer eines toxischen Umfelds

Die Stärke des Films jedoch liegt in Greens Fähigkeit zu differenzieren. So geht es ihr auch darum, wie Geschlechterrollen in den Arbeitsalltag hineinwirken. Die Kollegen, eigentlich Assistenten wie Jane, laden Aufgaben, die in ihren Augen Frauensache sind, bei ihr ab. Sie selbst wird nicht sexuell bedrängt, dennoch gehört sie zu den Opfern eines Systems, das Frauen degradiert und ausnutzt. Und nicht nur Frauen. Auch Janes männliche Kollegen auf den unteren Sprossen der Karriereleiter bekommen den Machtmissbrauch zu spüren. „Männer sind genauso Opfer dieses toxischen Umfelds“, sagt Kitty Green.

So viel wie die Regisseurin für „The Assistant“ recherchiert hat, sind dennoch auch persönliche Erfahrungen eingeflossen. „In dem Film steckt viel von meiner eigenen Wut“, sagt Green. Sie habe selbst erlebt, wie es sich anfühlt, die Person mit der wenigsten Macht im Raum zu sein.
24.2., 13 Uhr (Cubix 9), 25.2., 13.30 Uhr (International), 28.2., 21 Uhr (CinemaxX 7), 1.3., 22 Uhr (Zoo Palast 1)

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