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Zwei Schläger für ein Halleluja. Björn Borg (Sverrir Guðnason, rechts) und John McEnroe (Shia LaBeouf).

© Universum

Tennis-Film „Borg/McEnroe“ im Kino: Rüpel gegen Gentleman

Fast wie bei Shakespeare: Das Biopic „Borg/McEnroe“ von Janus Metz macht aus dem Wimbledon-Finale von 1980 ein psychologisches Kammerspiel.

Wer das Doppel-Biopic „Borg/McEnroe“ anschaut, sollte sich ein bisschen auskennen in der jüngeren Sportgeschichte. Hilfreich wäre es, wenn der Zuschauer schon einmal die Namen der Titelhelden gehört hätte. Borg, das war dieser Schwede mit den langen Haaren, den sie wegen seines maschinenhaft perfekten Grundlinienspiels auch „Ice-Borg“ nannten. McEnroe brauchte keinen Spitznamen, der impulsive Amerikaner fiel schon durch seine Schiedsrichterbeschimpfungen auf. Legendär, wie er aus Wut seinen Schläger am Spielfeldrand zertrümmerte.

Frost gegen Feuer, Gentleman gegen Rüpel, Yin gegen Yang: das perfekte Match. Borg und McEnroe stiegen zu den ersten wirklichen Weltstars im Tenniszirkus auf. Der Zuschauer sollte aber auch nicht zu viel wissen, er sollte – Spoileralarm! – nicht googeln, wer das Wimbledon-Finale von 1980 gewonnen hat, das vier Stunden lang über fünf Sätze lief. Denn auf dieses Match, das danach als bestes aller Zeiten gelten sollte, zielt die ganze Inszenierung des dänischen Regisseurs Janus Metz ab, der bislang Dokumentarfilme und Episoden für Serien wie „True Detective“ gedreht hat.

Doch Metz will auch die Geschichte eines Psychodramas enthüllen. Am Anfang beugt sich Björn Borg auf dem Balkon seines Appartements in Monaco über die Brüstung. Vor ihm versinkt die Sonne malerisch im Meer. Der Champion pendelt vor und zurück, ein kleiner Stoß nur, und er würde zehn, zwölf Stockwerke tief fallen. Nicht mehr berühmt sein zu müssen, das ist sein Traum. Der schwedische Schauspieler Sverrir Guðnason schafft es, Borg in einem Akt erstaunlicher Mimikry so zu verkörpern, dass er kaum noch vom Original zu unterscheiden ist, inklusive des stets neutralen Pokerfaces.

Stellan Skarsgård als stoischer Verbandstrainer

Als John McEnroe ist Shia LaBeouf, selbst ein Exzentriker, die Idealbesetzung. Trotz Miniplifrisur ähnelt er ihm optisch nur mäßig, dafür glaubt man ihm jeden Ausraster. Bevor er zum Turnier abreist, wird der Berserker in einer Talkshow vom Moderator gefragt: „Haben Sie hinter der Bühne schon jemanden beleidigt?“ Während Borg nachts in seinem Londoner Hotel die Spannung von Dutzenden Tennisschlägern prüft, indem er mit seinen Füßen drauftritt – nur einer von vielen Ticks –, stürzt sich McEnroe mit seiner Entourage in die Freuden des Nachtlebens. „Wenn man gegen Borg spielt, spielt man gegen eine Wand“, sagt der Kollege Arthur Ashe, der zur Clique gehört. „Aber McEnroe ist ein Dolch.“

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Der Weltranglistenerste ist zwar nur vier Jahre älter als sein Herausforderer. Aber hier geht es, fast wie bei Shakespeare, um einen geplanten Königsmord. Dabei ähneln – das zeigt der Film in manchmal zu verschachtelten Rückblenden – die beiden Helden einander mehr, als sie selber ahnen. Auch Borg hat seine Karriere als Rebell begonnen. Stundenlang schlägt er mit dem Schläger den Ball gegen die Garagentore seiner Siedlung bei Stockholm, bei Turnieren wird er suspendiert, weil er pöbelt und den Schläger zertrümmert. Kein Kind will mehr mit ihm spielen. Erst dem Verbandstrainer Lennart Bergelin, den Stellan Skarsgård als großen Stoiker spielt, gelingt es mit rüder Pädagogik, Borg auf die Erfolgsspur zu bringen. Er treibt den 15-Jährigen zum ersten Sieg in einem Davis-Cup-Match und führt ihn in Wimbledon zu vier Triumphen hintereinander. Ein Grund zum Stolz? „Daran wird sich niemand erinnern, wenn ich beim fünften Mal verliere“, klagt Borg.

Kammerspiel auf grünem Rasen

Die Aggressionen, die McEnroe in seinen Ausbrüchen herauslässt – so die These des Films –, staut der überangepasste Borg in sich auf. Eine dunkle Macht, die mitunter zu Panikattacken unter der Dusche führt. McEnroe – so suggeriert jedenfalls „Borg/McEnroe“ – wächst in der Lieblosigkeit einer reichen Familie bei New York auf. Als er 96 von 100 Punkten beim Erdkundetest nach Hause bringt, fragt die Mutter: „Und was ist mit den übrigen vier?“ Viel Küchenpsychologie, und wenn sich Borg passiv durch sein Tunnel-Leben in immer gleichen Limousinen, Hotels und Trainingsanlagen treiben lässt, ist das Klischee vom goldenen Käfig nicht weit. Doch in die Dramaturgie des Films, die an das Duell von Niki Lauda und James Hunt im Formel-1-Film „Rush“ erinnert, passt die Deutung. Auch wenn McEnroe und Borg kürzlich über mangelnde historische Akribie klagten.

Der Rest ist Reengagement. Das letzte Drittel des Films stellt das Finale als Kammerspiel auf grünem Rasen nach. Ausschnitthaft, im Wechsel aus Close-ups und Totalen, aus Zeitlupe und Zeitraffer. Borgs zentimeterhohe Luftsprünge beim Aufschlag, seine beidhändige Rückhand. McEnroes Schreie und seine „Shut up!“-Rufe zum Schiedsrichter oder Publikum. Der Schweiß, der unter seinem Stirnband heraustropft. Wer gewinnen wird auf dem Centre Court von Wimbledon an diesem 6. Juli 1980? Natürlich der Bessere.

In zehn Berliner Kinos; OmU: Delphi Lux, Eiszeit, Hackesche Höfe, Kulturbrauerei, Rollberg

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