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Die Kunstkammer Georg Laue bietet eine Sammlung süddeutscher, gedrechselter Objekte aus dem 18. Jahrhundert an.

© Tefaf

Tefaf in Maatricht: Tanz in gelben Röcken

Dem Coronavirus zum Trotz findet die Kunst- und Antiquitätenmesse Tefaf in Maastricht statt. Mit weniger Besuchern bei glänzenden Geschäften.

Siegt die Einkaufslust über die Angst vor dem Coronavirus? Ist das Begehren nach einem Breughel oder Claude Monet stärker als der Reflex, eine Massenveranstaltung zu meiden? Die selbstbewussten Ausrichter der Tefaf in Maastricht mussten nicht lange überlegen. Während sich im Vorfeld der 33. Ausgabe der European Fine Art Fair die Absagen anderer Messen häuften, blieben die niederländischen Behörden erstaunlich gelassen. Bis kurz vor Eröffnung zeigten sie keinerlei Nervosität, selbst nachdem drei von 285 Ausstellern es vorzogen, der Grande Dame der gehobenen Qualitätsmessen einen Laufpass zu geben.

Benedict Tomlinson von der Galerie Robilant + Voena, der ein Stillleben von Giorgio Morandi im sechsstelligen Preissegment mitgebracht hatte, stellte am exklusiven Early Access-Day lakonisch fest: „Sie müssen sich daran erinnern, dass Sie nicht eine Million Menschen brauchen, um Gemälde zu verkaufen. Einige Stammgäste kommen nicht, insbesondere amerikanische Sammler, aber das könnte den Raum für neue Käufer öffnen.“

Rund ein Drittel weniger Besucher

Für die ferngebliebenen New Yorker Galerien Wildenstein & Co., Fergus McCaffrey und die Pariser Galerie Monbrison war das Risiko offenbar zu groß. US-amerikanische Vertreter wichtiger Museen, des Art Institute of Chicago etwa oder der National Gallery in Washington, schlossen sich den Abstinenzlern an. Nicht so die gutbetuchte Klientel im fortgeschrittenen Alter, die wie gewohnt zur exklusiven Preview in die aufwändig geschmückte Haupthalle drängte, ihre Schutzmasken zu Hause ließ und durchaus gewillt war, die eine oder andere Hand zu schütteln. Nein, genauso üppig gefüllt wie in den Jahren zuvor waren die Gänge nicht. 4000 angereiste Besucher, rund ein Drittel weniger weniger als 2019, sind Fakt. Dennoch reichte es immer noch, um nur eine Stunde nach Öffnung der Tore den Stand der Münchner Kunstkammer Georg Laue mit lauter roten Punkten zu bestücken; vielleicht, weil eine Vielzahl der Objekte als Memento Mori zu verstehen waren?

Ein täuschend echt eine Forelle imitierendes Bestecketui der italienischen Renaissance ist mit 145 000 Euro zwar eine teure Pretiose, aber zugleich auch eine Rarität, denn es existiert nur ein einziges vergleichbares Kunstwerk im Grünen Gewölbe in Dresden. Das gilt auch für die Prunkkassette, die 1565 in Nürnberg gefertigt wurde und zu den ältesten datierten Kunstkammer-Möbeln gehört. Bis vor Kurzem war das auf 850 000 Euro bezifferte Stück im Besitz der Marquess of Lothian und wurde in Newbattle Abbey in Schottland ausgestellt.

Auch bei den alten Meistern, der Spezialität der Tefaf schlechthin, fehlte es nicht an Nachfrage und sogar sensationellen Entdeckungen. Die Weiss Gallery aus London, bei der vor allem Liebhaber von majestätischen Porträts aus der Zeit der Tudors und Stuarts zum Zuge kommen, wagte einen Ausflug in den Frühbarock und platzierte „Venus und Amor mit Merkur und Psyche“ von Bartholomeus Spranger stolz in der Mitte des Stands. Dieses kürzlich wieder aufgetauchte Werk wurde um 1600 wahrscheinlich im Auftrag von Rudolf II. für seine Kunstkammer auf der Prager Burg gefertigt. Auch wenn mancher Museumsdirektor am Stand vorbeischaute, wechselte der Fund noch nicht den Besitzer. Die Turiner Händler Caretto & Occhinegro hatten mehr Glück. Sie verkauften gleich in den ersten Minuten ein monumentales Gemälde des Niederländers Frans Francken II. an einen Privatsammler.

Ein Bild von van Gogh für 17 Millionen Euro

Derselben Epoche entstammt in der Papierabteilung die Erstausgabe der „Essays“ von Michel de Montaigne, die 1595 postum von seiner Tochter Mademoiselle de Gournay publiziert wurde. Der Prachtband mit Anmerkungen der Herausgeberin war bei Daniel Crouch Rare Books für 135 000 Euro zu haben. Beinahe ein Schnäppchen angesichts des reichlich illustrierten „Astronomicum Caesareum“ von 1540 bei Stéphane Clavreuil Rare Books. Das mit einer Million Euro zu Buche schlagende Meisterwerk stammt vom deutschen Renaissance-Gelehrten Peter Apian, der mit Beobachtungen von Planetenbewegungen berühmt wurde.

Der Stand der Hammer Galleries sorgte verlässlich für Superlativen. Die New Yorker boten ein 17 Millionen Euro teures Van-Gogh-Bild an, ein Werk von Renoir, zwei von Monet und zwei von Edgar Degas. Dessen Gemälde „Drei Tänzerinnen in gelben Röcken“ ist mit rund 45 Millionen Dollar wohl das teuerste Kunstwerk der Messe. Ein weiterer van Gogh lässt sich bei Dickinson aus London erwerben: „Bäuerin vor einem Bauernhaus" von 1885 sieht als Frühwerk in keinster Weise typisch aus und wurde in den 1960ern in einem Second-Hand-Laden für 45 Pfund erworben.

Seitdem die Tefaf ihre Strategie geändert hat und zunehmend auf Gegenwartskunst setzt, lässt sich Prestige neuerdings auch mit Gerhard Richter (Beck und Eggeling) gewinnen, der es diesmal sogar auf den bisher mit alten Meistern auftrumpfenden Katalog geschafft hat. Oder mit Pierre Soulages (Galerie Karsten Greve). Ähnliches gilt für Design. Der Berliner Bauhaus-Spezialist Ulrich Fiedler ließ sich zwar nicht blicken, aber unter den fünf Debütanten traf man auf Friedman Benda. Der US-Amerikaner verkaufte seine Objekte von Ettore Sottsass und Gaetano Pesces schon vor der Eröffnung – etwa an Kunden aus Übersee, die lieber online zugriffen, statt selbst ins Flugzeug zu steigen?

Vielleicht waren die Stände nebenan deshalb so seltsam verwaist, weil europäische Möbelhändler auf diese Klientel keinen Zugriff haben. Am Stand des Londoner Schmuckhändlers Hancocks herrschte dagegen vor dem Diadem, das sich einst im Besitz des exzentrischen Lord Paget befand, geradezu hysterisches Treiben. Die Corona-Krise hinterlässt nicht bei jedem Aussteller Spuren. Für viele läuft das Geschäft wie immer. Andere werden wohl Federn lassen.

Tefaf, Maastricht, bis 15. März, www2.tefaf.com

Alexandra Wach

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