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Macht der Utopie. Tanzcompagnie Rubato.

© Dieter Hartwig

Tanzcompagnie Rubato im Uferstudio: Und über uns der Himmel

Die Tanzcompagnie Rubato durchforstet im Uferstudio 1 die Vergangenheit nach revolutionären Ideen. Und endet bei Nostalgie.

Von Sandra Luzina

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Die Künstler besinnen sich nun wieder vermehrt auf dieses Potenzial. Das Vocalconsort Berlin feiert sein 15-jähriges Bestehen mit einer Konzertreihe, die „Prinzip Hoffnung“ überschrieben ist. Auch Jutta Hell und Dieter Baumann von der Tanzcompagnie Rubato haben sich von „Prinzip Hoffnung“, dem zentralen Werk des Philosophen Ernst Bloch, zu ihrem neuen Stück „blue-sky thinking“ inspirieren lassen. „Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen. … Die Arbeit dieses Affekts verlangt Menschen, die sich ins Werdende tätig hineinwerfen, zu dem sie selbst gehören“, schreibt Bloch im Vorwort seines Buchs, das in den Sechzigern und Siebzigern zur Pflichtlektüre jedes Studenten gehörte.

Die vier Tänzer im Uferstudio 1 erwachen langsam aus einem Bühnenschlummer und kriechen unter einem großen roten Tuch hervor. Zuerst sind die Performer vereinzelt, jeder kreist um sich selbst. Doch bald formieren sich die zwei Frauen und zwei Männer zu einer Gruppe, sie probieren verschiedene kollektive Haltungen durch, die in ihrem Pathos an die russische Avantgarde der zwanziger Jahre erinnern. Da werden Fäuste gereckt, der Blick gen Himmel gerichtet. Da blitzt kurz entschlossene Tatkraft auf, bis es die Körper abrupt auseinandersprengt. Das Stück ist eine lange Suchbewegung. Die Tänzer durchforsten die Vergangenheit auf der Suche nach sozialrevolutionären Ideen, an die sich anknüpfen lässt. Doch die Erinnerungen sind verschüttet, die Kraftquellen scheinen versiegt, da manche utopische Hoffnungen gescheitert sind.

Leider gerät das Stück zum Thesentheater

Die Reden von Martin Luther King und später von Nelson Mandela sind nur bruchstückhaft zu verstehen. Sie vermögen die Performer nicht mehr zu entflammen. Der eigentliche Pate dieses Abends ist aber John Lennon. Gleich zwei Mal singen die Tänzer seinen Song „Imagine“ aus dem Jahr 1971. Ganz leise, fast zaghaft, als sei es heute uncool, von einer besseren Welt zu träumen. Doch auch sie sind Träumer, sie sehnen sich nach einer anderen Gesellschaft und werfen Parolen und Visionen in den Raum: „keine Angst“ oder „kein Besitz“. „Teilen“ ist die neue Losung.

Dieser Tanzabend will gegen das Erlahmen des utopischen Denkens ankämpfen. Doch „blue-sky thinking“ gerät eher zum Thesentheater. Die szenischen Ideen sind dürftig, das Bewegungsmaterial nicht prägnant gestaltet. Zudem ist der Abend nicht frei von einer gewissen Nostalgie. Ein neuer Aufbruch ist nicht in Sicht. Jeder der Performer sucht nach seinem Platz – und wechselt ständig seine Position. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer. Am Ende schlüpfen wieder alle unter das rote Tuch.

Uferstudio 1, wieder am 16./17. 11. um 19 Uhr, sowie am 18. 11. um 17 Uhr

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