zum Hauptinhalt
Bei der momentanen Hitze kommen die Tänzer doppelt ins Schwitzen.

© Bill Cooper

Tanz-Biennale: Venedigs Tänzer schwitzen in der Hitze

William Forsythe zeigt „A Quiet Evening of Dance“ bei der Tanz-Biennale, bis die Socken leuchten.

Von Sandra Luzina

Wahren Kunstenthusiasten kann auch die momentane Hitze nichts anhaben. Das lässt sich in diesen Tagen bei der Biennale in Venedig beobachten. Die Ausstellungen in den Giardini und im Arsenale sind gut besucht. Die Tänzer kommen da schon mehr ins Schwitzen. Die Biennale Danza, eine kleine Schwester der Kunst-Biennale, wird seit drei Jahren von der kanadischen Choreografin Marie Chouinard geleitet. Vor allem kleinere Arbeiten werden diesmal gezeigt, auch Queeres ist dabei wie eine Bondage-Performance.

Dazu hat Chouinard das Motto „On Becoming A Smart God-dESS“ ausgegeben. Ob die Nachwuchstänzer, die an dem Biennale College teilnahmen, sich das zu Herzen genommen haben? Bei einer Outdoor-Veranstaltung treten sieben Performer in der Mittagshitze in dem kleinen Park in der Nähe der Giardini auf. Eine der jungen Frauen tanzt in wallender schwarzer Tunika und trägt dazu eine verspiegelte Sonnenbrille. Wenn sie ihre Mähne schüttelt und sich in einen Tanz steigert, der eruptive und innerliche Momente verbindet, hatte man das Gefühl: Der Ausdruckstanz lebt! Was aber vor allem auffällt bei den kurzen Choreografien, ist der Ton der Klage.

Einer der Höhepunkte ist „A Quiet Evening of Dance“ von William Forsythe im Teatro Malibran. Forsythe ist einer der herausragenden Choreografen der Gegenwart. Nachdem er 2015 seine Forsythe Company aufgelöst hatte, schien er erst mal die Lust am Choreografieren verloren zu haben. Dem Sadler’s Wells Theater aus London ist aber ein Coup gelungen. Es konnte den Meister überreden, mit sieben seiner ehemaligen Tänzer ins Studio zu gehen. So entstand im letzten Herbst „A Quiet Evening of Dance“: Forsythe kombiniert hier zwei neue Arbeiten mit zwei älteren Stücken zu einem Abend, der formale Strenge mit einer überschäumenden Tanzlust verbindet.

Getanzt wird in der Stille

Den Titel darf man wörtlich nehmen: Getanzt wird überwiegend in der Stille. Beim „Prologue“ ist nur Vogelgezwitscher zu hören. So kann man sich ganz auf das Duett von Parvaneh Scharafali und Ander Zabala konzentrieren, zwei Tänzern von atemberaubender Eleganz. Ihre Arme stecken in langen Handschuhen, die farblich auf die Socken abgestimmt sind. Das akzentuiert die Bewegungen, schärft den Blick für Details.

In „Catalogue“ loten Jill Johnson und Christopher Roman mit großer Nüchternheit die Bewegungsmöglichkeiten des Körpers aus. Fast mechanisch wirkt es, wenn sie das Becken kippen, den Kopf drehen, die Schultern hochziehen, einen Arm beugen und strecken. Aus diesem Glieder-Tohuwabohu schält sich immer wieder eine präzise Ballett-Figur heraus. Im Zusammenspiel der beiden entfaltet sich eine dezente Komik, Christopher Roman hat schon mal etwas Chaplineskes.

In „Epilogue“ zu sparsamen Klavierklängen von Morton Feldmann tritt dann zu dem Quartett ein fünfter Performer hinzu, der nicht nur wegen seiner orangefarbenen Strümpfe auffällt. Rauf „RubberLegz“ Yasit ist ein Hip-Hop-Tänzer von erstaunlicher Elastizität, der zudem ein verblüffendes Koordinationsvermögen besitzt. Sein Dialog mit den klassisch trainierten Tänzern ist überaus reizvoll; während die vier ausgeklügelte Variationen des anfangs vorgestellten Materials präsentieren, findet Yasit immer noch einen neuen Dreh oder einen ausgefallenen Move.

Die Tänzer sind trotz Hitze in Hochform

In „Dialogue“, ursprünglich ein Duo für zwei Frauen, trifft der luftige Riley Watts auf den kompakt-kraftvollen Brigel Gjoka; Wenn dann zum Finale das Ritournelle aus Rameaus Barock-Oper „Hippolythe et Aricie“ erklingt, scheint die Musik die sieben Tänzer regelrecht zu beflügeln. Das Ballett hat seinen Ursprung im höfischen Tanz – daran erinnert Forsythe hier. Doch er präsentiert eine ganz zeitgenössische Sicht auf den Barock – ganz ohne Perücken und gezierte Galanterien. Das energiegeladene Männertrio hat etwas herrlich Verspieltes.

Yasit bringt mit seinen Spins und Verknotungen einen skurrilen Bewegungswitz ins Spiel und tritt in tollen Duetten mit Roman und Scharafali auf. Die fantastischen Tänzer, die sich trotz der Hitze in Hochform präsentierten, werden vom Publikum enthusiastisch gefeiert.

„A Quiet Evening of Dance“ ist ein konzentrierter, kontrastreicher Abend; Forsythe demonstriert seine Könnerschaft mit einer schönen Leichtigkeit. Die Berliner Tanz-Enthusiasten werden sich aber noch eine Weile gedulden müssen. In der Hauptstadt wird der Abend erst im August 2020 zu sehen sein.

Die Biennale hat die Reise nach Venedig unterstützt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false