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Gesprengt. Die Reste des Triumphbogens am Beginn der Kolonnade von Palmyra. Die gezielte Zerstörung von Kulturerbe gilt seit 2015 als Kriegsverbrechen.

© Valery Sharifulin/dpa

Syrien-Konferenz in Berlin: Abendessen in der Altstadt von Damaskus

In Berlin beraten Fachleute auf einer Unesco-Konferenz über die Erhaltung antiker syrischer Kulturstätten.

„Menschen und Steine – das ist kein Gegensatz“, sagte Staatsministerin Maria Böhmer am Vorabend des Internationalen Expertentreffens zur Erhaltung des Kulturerbes im Auswärtigen Amt (AA) vom 2. bis 4. Juni, zu der die Generaldirektorin der Unesco, Irina Bokova, geladen hatte. Schutz und Erhalt des Kulturerbes sei zentrales Anliegen deutscher Außenpolitik und man müsse nun alles unternehmen, um den Syrern ihre kulturelle Identität zurückzugeben, sagte Böhmer: „Es geht um mehr als nur um Palmyra. Alles, was wir tun, hilft den Menschen in Syrien und der Region“, sagte die Sonderbeauftragte für das Unesco-Welterbe. Der 2014 beschlossene Aktionsplan Syrien der Unesco müsse nun fortgeschrieben und erweitert werden. Ziel der Tagung ist es, das Wissen von über 170 Archäologen, Bauforschern, Restauratoren, Denkmalpflegern und Museumsfachleuten aus mehr als 25 Ländern – von Australien über Syrien bis Russland – zusammenzuführen.

Wie wichtig das Erbe für jeden Syrer ist, unterstrich Zoya Masoud, die derzeit im Syrian Heritage Archive Project im Museum für Islamische Kunst Berlin an der Digitalisierung arbeitet. „Das syrische Kulturerbe wurde genutzt, jeder hat Erinnerungen an Theaterabende in Bosra, an ein Abendessen in der Altstadt von Damaskus oder einen Schulausflug nach Palmyra. Es ist Teil unseres Alltagslebens und unserer Erinnerung. Kultur ist kein abgeschlossener Raum. Wir brauchen jetzt einen Masterplan für den Wiederaufbau und dazu benötigen wir Informationen“, sagte die junge Syrerin.

Das betont auch die Unesco-Generaldirektorin in einem Gastbeitrag: „Kulturerbe steht für Grundwerte der Zivilisation, ohne die es keine menschliche Gesellschaft gäbe. Syrien ist ein kultureller Knotenpunkt reich an assyrischem, griechischem, römischem, persischem und islamischem Erbe, der verdeutlicht, dass Kulturen sich durch gegenseitige Einflüsse erweitern. Sie sind keine ,Museumsstücke‘, sondern der lebende Beweis für die Freiheit und Würde eines Volkes.“

Nicht nur Aleppo und Palmyra sind betroffen von den Zerstörungen des Krieges, sondern auch das bedeutende Museum für antike Mosaike in Maaret al-Numan. Das Museum, das in einer alten Karawanserei aus dem 16. Jahrhundert untergebracht ist, wurde bei Kämpfen mit Regierungstruppen schwer zerstört.
Nicht nur Aleppo und Palmyra sind betroffen von den Zerstörungen des Krieges, sondern auch das bedeutende Museum für antike Mosaike in Maaret al-Numan. Das Museum, das in einer alten Karawanserei aus dem 16. Jahrhundert untergebracht ist, wurde bei Kämpfen mit Regierungstruppen schwer zerstört.

© AFP PHOTO / AL-MAARRA TODAY / GHAITH OMRAN

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Philipp von Rummel, Generalsekretär des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), betonten in einem Atemzug die Notwendigkeit der internationalen Vernetzung des Expertenwissens. „Wir müssen international die Hilfe unter der Führung der Unesco koordinieren und die Syrer müssen dann entscheiden, was sie wollen. Nationale Alleingänge machen keinen Sinn“, sagte Parzinger. Und natürlich werde man auch mit den Russen zusammenarbeiten, sagte er auf besorgte Fragen. „Der Wiederaufbau von Denkmälern ist eine akademische Diskussion. Wir müssen jetzt eine Bestandsaufnahme machen und dann beraten, was man tut. Dass etwas wiederaufgebaut werden muss, ist klar“, sagte Parzinger.

Wichtige Hilfe sei das „Capacity Building“, da viele Museumsfachleute und Wissenschaftler das Land verlassen hätten oder gar umgekommen seien. Gerade die Museen könnten sich hier einbringen und bei der Ausbildung von Museumsfachleuten und Restauratoren helfen. „Der Direktor der syrischen Antikenverwaltung, Maamoun Abdulkarim, hat in einer beispielhaften Aktion 40 000 Tontafeln mit Keilschrift nach Damaskus gerettet, das sind sehr fragile Objekte, die das Wissen der ganzen Region festhalten. Das Vorderasiatische Museum hilft jetzt, Restauratoren auszubilden, um diese wertvollen Objekte vor dem Zerfall zu retten.“

Das DAI bildet Handwerker in Jordanien und Libanon aus. Als „Schnellboot für den Kulturgutschutz“ mit drei Millionen Euro für Sofort- und Flüchtlingshilfe engagiert sich die Gerda-Henkel-Stiftung. Sie finanziert auch das Forum „Unite for Syrian Heritage“, bei dem sich jetzt 20 junge syrische Experten treffen, um ihre Pläne darzustellen. „Diese Generation wird den Wiederaufbau in Syrien vorantreiben“, sagte Michael Hanssler von der Stiftung.

Wichtig ist den Organisatoren, dass auch Vertreter der Opposition anreisen. Es sei ein Zeichen der Hoffnung, dass jenseits aller politischen Divergenzen verschiedene Gruppen zusammenkämen, sagte Verena Metze-Mangold, Präsidentin der deutschen Unesco-Kommission. „Für dieses kulturelle und menschliche Chaos sind sehr viele verantwortlich; die Unesco verurteilt jegliche Zerstörung, egal wer sie zu verantworten hat. Das erste Opfer ist die syrische Bevölkerung. Aber inmitten breiter Machtlosigkeit ist es die syrische Bevölkerung, die Würde zeigt und die die durch das Kulturerbe getragenen universellen Werte verkörpert“, schreibt Irina Bokova in ihrem Gastbeitrag. Vielleicht kann die Konferenz Einigkeit erzielen und zur Rettung des syrischen Kulturgutes beitragen.

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