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Die 1957 geborene Schriftstellerin Susann Pásztor

© Steffi Roßdeutscher/Verlag Kiepenheuer & Witsch

Susann Pásztors "Geschichte von Kat und Easy": Nähe und Hoffnung

Komplizierte Frauenfreundschaft im Herbst des Lebens: Susann Pásztor erzählt die „Geschichte von Kat und Easy“.

Der Blick zurück auf das eigene Leben ist oft nicht wirklich erbaulich. Wir verändern uns nur millimeterweit, verschanzen uns in unserem selbst geschaffenen Fort Knox, damit das Leben uns bloß keine bösen Streiche spielt – was es am Ende natürlich doch tut. Wir folgen in unseren Beziehungen den immer gleichen unseligen Mustern und perpetuieren so unser Unglück.

Auch Easy ist eine Wiederholungstäterin: In ihren Beziehungen lässt sie sich nur mit angezogener Handbremse auf ihre Männer ein. Eine Schutzmaßnahme, um mit dem Verlust des Partners, der irgendwann eintreten könnte, besser fertig zu werden.

Mit Anfang sechzig beschließt Easy, dieses Muster endlich zu durchbrechen: Sie sucht Rat bei einer Frau, die einen erfolgreichen Lebensberatungs-Blog betreibt.

Susann Pásztors Roman „Die Geschichte von Kat und Easy“ (KiWi, Köln 2021, 272 S., 20 €.) handelt von einer komplizierten Frauenfreundschaft, die in den siebziger Jahren beginnt, jäh zu Ende geht und knapp fünf Jahrzehnte später wieder auflebt.

Beide Handlungsstränge sind ineinander verwoben und aus unterschiedlicher Perspektive erzählt. Als junge Frauen haben Kat und Easy ihre Freundschaft gründlich vermasselt, als ältere Frauen versuchen sie sich an einer Reparatur.

Kat und Easy (die eigentlich Isi heißt) sind sechzehn Jahre alt, als sie sich in ihrer Kleinstadt in denselben Mann verlieben.

Beide verlieben sich in denselben Mann

Mit Anfang sechzig finden sie sich über Kats Blog wieder. Easy lädt Kat in das heruntergekommene Haus auf Kreta ein, in dem sie ihre Ferien verbringt. Easy ist Mutter von drei Kindern, die sie mit drei verschiedenen Männern bekommen hat. Kat ist kinderlos, hat keinen Partner und keinen Vertrauten, der ihre Passwörter kennen würde, wenn sie plötzlich stirbt.

Von Anfang an ist klar, dass ein Geheimnis zwischen den beiden Frauen steht. In der kretischen Bruchbude lavieren sie umeinander herum, beäugen sich, lassen sich von den griechischen Nachbarn zu ausgiebigem Essen und Drogen-Exzessen verführen, ohne wirklich Nähe zueinander zu finden.

Immer wieder fallen sie in alte Muster: Easy ist die Schöne, Unbekümmerte, die immer noch Lust auf Affären und eine Neigung zu vorschnellen Kommentaren hat. Und Kat die kritische, die sich gern hinter ihrer Ironie verschanzt.

Erst allmählich kommt zu Tage, warum die Freundschaft der Frauen damals, im Jahr 1973, auseinandergebrochen ist: Beide haben Sex mit dem attraktiven Fripp, aber der 21-Jährige entscheidet sich für Easy, und Kat versucht tapfer, ihre Verzweiflung zu verbergen. Um den Freund zu verunsichern, behauptet sie eines Tages, womöglich schwanger von ihm zu sein – eine Nachricht, die ihn verstört.

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Kurz nach diesem letzten Treffen mit Kat verunglückt Fripp mit seinem Auto tödlich. Erst jetzt, Jahrzehnte später, kann Kat ihrer Freundin erzählen, dass sie sich schuldig fühlt an Fripps Tod.

Wie viel Nähe zu einem anderen Menschen können und wollen wir zulassen? Was ist der Preis, wenn wir unsere Sehnsüchte und Verwundungen offenbaren?

Um diese Fragen kreist Susann Pásztors Roman, der keine eindeutigen Antworten gibt, und darin liegt seine Stärke. Wenn die Autorin beschreibt, wie ängstlich und zugleich neugierig sich die beiden Frauen auf Kreta umkreisen, zeigt sie, wie unendlich filigran und störungsanfällig menschliche Beziehungen sind.

Susann Pásztor braucht jedoch eine ganze Weile, bis sie ihren Roman psychologisch verdichtet hat, bis hin zum dramatischen Finale. Klar, dass es ziemlich unspektakulär zugeht in einem Jugendzentrum einer deutschen Kleinstadt in den siebziger Jahren.

Es gibt eine humorvolle Unterströmung

Aber muss man wirklich so genau wissen, wer wen anhimmelt und wer sich welche Drogen reinzieht? Hier bleibt die Autorin allzu oft in der Wiederholungsschleife, und irgendwann verliert man als Leserin die Lust an karierten Hemden, verkrampften Flirts und sehnsuchtsvollen Sounds.

Pásztor, die 1957 geboren wurde, hat mit ihrem letzten Roman „Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster“ im Jahr 2017 überraschend einen Bestseller geschrieben. Trotz des düsteren Sujets – es geht um das Sterben einer älteren Frau – gibt es in diesem Roman immer wieder humorvolle Passagen.

Auch „Die Geschichte von Kat und Easy“ hat eine humorvolle Unterströmung. Dass diese Geschichte insgesamt gelungen ist, liegt auch an seiner cleveren Konstruktion. Pásztor arbeitet nicht nur mit zwei verschiedenen Zeitebenen – die Jugend wird aus der Erzählerperspektive, das Älterwerden aus Kats Sicht geschildert – , sondern streut zusätzlich Blog-Nachrichten von Kat und Easy ein.

Durch die Kaleidoskop-Technik verändert sich der Blick auf die beiden Hauptfiguren ständig. Dass Kat, die ihren Blog unter dem Pseudonym „Mockingbird“ führt, eine intelligente Ratgeberin für andere ist, aber in eigener Sache eher eine Gefühlsamateurin, zeigt die Brüchigkeit der Figur.

Von Brüchen und emotionalen Verstrickungen ist viel die Rede in der Geschichte der beiden Frauen. Es gibt aber immer wieder versöhnliche Sätze. Manche sind nur wenig mehr als Kalendersprüche. Andere dagegen sind so originell, dass man sie sich fürs Leben merken möchte. Zum Beispiel: „Doch die Hoffnung wird gern unterschätzt, weil sie sich totstellen kann wie eine vertrocknete Zimmerpflanze.“

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