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Veteranin Andy (Charlize Theron, li.) erklärt ihrer Meisterschülerin Nile (KiKi Layne) die Vorzüge der Unsterblichkeit.

© Netflix

Superheldinnen auf Netflix: „The Old Guard“ ist eine Choreografie für Messer und Streitaxt

Das nächste Superheldinnen-Franchise von Netflix. Charlize Theron lässt keine weiteren Zweifel, dass sie im Moment der größte weibliche Actionstar ist.

Was dem einen die GSG 9, ist dem anderen Andy (Charlize Theron) und ihr Team. Ein wenig hinkt der Vergleich. Als Andy nach ihrer Identität gefragt wird, antwortet sie knapp: „Ich führe ein Team von Unsterblichen.“ Jene Unsterblichkeit, die Wunden umgehend heilen lässt und eine gewisse Abgeklärtheit gegenüber gesellschaftlichen Moden hervorruft, bringt eine gewisse Routine mit sich.

Andy heißt eigentlich „Andromache“ und schwang ihre Labrys, eine zweischneidige „Amazonenaxt“, bereits im antiken Griechenland; seit den napoleonischen Kriegen kämpft Booker (Matthias Schoenarts) an ihrer Seite. Die miteinander liierten Krieger Nicky (Luca Marinelli) und Joe (Marwan Kenzari) lernten sich einst auf gegnerischen Seiten der Kreuzzüge kennen und schaffte es aus offensichtlichen Gründen nicht, sich gegenseitig umzubringen. Nun werden sie gemeinsam nicht alt.

Wann immer „The Old Guard“, so der Titel von Gina Prince-Bythewoods Film, gebraucht wird, taucht dieses Sonderkommando aus unsterblichen Kriegerinnen und Kriegern auf – immun gegen Maschinengewehre, Panzer und Feuer. Die langjährige Erfahrung hat noch weitere Vorteile: Andy kann die genaue Herkunft eines Stück Baklava bis auf den letzten osmanischen Küstenmeter schmecken.

Die Comicvorlage ist von 2017

Netflix produziert mit der Adaption des gleichnamigen, 2017 erschienenden Comics eine Art „Justice Leage“ mit einer einzigen Superkraft. Dafür aber mit einem vorbildlichen Fokus auf Diversität: Ob die selbstverständliche weibliche Führung, das schwule, italienisch-arabische Liebespaar, das sich auch vor den Augen stumpfer Machosoldaten stolz küsst, oder neue afroamerikanische Rekrutin Nile (Kiki Layne), die von Andy und ihrem Team eingesammelt werden muss, bevor sie sich darüber wundert, das ihre aufgeschlitzte Kehle wieder zuwächst.

Selbst die Begleitmusik stimmt: Nile stöpselt sich Frank Ocean in die Ohren. Die von einem vermeintlichen Regierungsbeamten Copley (Chiwetel Ejiofor) in Auftrag gegebene Rettung entführter Schulkinder im Südsudan stellt sich jedoch als Falle heraus: Ein irrer Comic-Bösewicht namens (Harry Mellin) nebst seiner Wissenschafts-Schergin (Anamaria Marinca) führen Garstiges im Schilde.

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Ein bisschen haben die sich selbstheilenden Kämpfer und Kämpferinnen etwas von „Twilight“-Vampiren. Nichts kann sie schockieren, nichts Menschliches ist ihnen fremd. Theron, die in diesem Film ihren Ruf als größte weibliche Actionheldin zementiert, kämpft sich souverän durch düstere Sets, spuckt Patronen nach Treffern einfach wieder aus, und schlitzt danach den nächsten Gegner auf. Als das Transportflugzeug in Turbulenzen gerät, hält sich mit einer Hand am Gestänge fest und trinkt mit der anderen Wodka aus der Flasche. Was soll schon passieren – ein Absturz? So what!

Von der Charakterdarstellerin zum Actionstar

Es ist bezeichnend für die Entwicklung in Hollywood in den vergangenen Jahren, dass Theron zunächst eine Karriere als Charakterdarstellerin in Filmen wie „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ oder „Monster“, für den sie 2004 den Oscar erhielt, verfolgte, und sich erst spät auch als Actionheldin (in „Mad Max“, „Atomic Blonde“ und „Fast & Furious 8“) etablierte. Bei männlichen Kollegen läuft es oft umgekehrt.

Um die ästhetisierte Fantasy-Gewalt aufzulockern, legt Drehbuchautor Greg Rucka, der auch die Comicvorlage geschrieben hat, seinen Heldinnen und Helden großartige Aperçus in den Mund. „Glauben ist relativ, Gott existiert nicht“, schnappt Andy gegenüber der ihres Status’ anfangs noch unsicheren Nile. „Meiner schon“, antwortet ihr Protégé. „Es gab eine Zeit da wurde ich als Göttin verehrt“, konstatiert darauf Andy.

Angesichts ihrer zahlreichen Kampftricks und den schick choreografierten no look passes mit Messern und Pistolen kommentiert Booker in Anspielung auf den Davis-Sisters-Hit aus den Fünfzigern: „Diese Frau hat mehr Tötungsarten vergessen, als ganze Armeen je lernen werden.“ Dass das erste Abenteuer ein offenes Ende hat, versteht sich von selbst. Die Figuren geben noch einiges her: Kämpfe müssen gewonnen, Leben gerettet werden. Zarte Allianzen bahnen sich an. Leider aber auch Probleme beim kunstvollen Patronenweitspucken: Unsterblichkeit ist auch nur ein Wort.
Ab 10. Juli auf Netflix

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