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Voraussichtlich ab 16. März wieder geöffnet: die Kunsttempel auf der Berliner Museumsinsel.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Update

Stufenplan für die Kultur: Hoffnung, Verwirrung, vertane Chance

Die Berlinale vergibt am Freitag Bären für Filme, die nur die Branche kennt. Die Politik erlaubt erste Kultur-Lockerungen. Viele frohlocken, aber die Tücke steckt im Detail.

Es gibt auch Cocktailempfänge auf der Branchen-Berlinale, online, fürs Fachpublikum. Und einige wenige Digital-Panels für alle. Während die Branchenblätter wie gehabt News über Filmdeals, Rezensionen und Kritiker-Spiegel publizieren (ganz oben: die Filme von Maria Speth, Hong Sangsoo und Dominik Graf), sitzen auch Medienmenschen zuhause und gucken Filme, die beim Sommerevent in den Kinos laufen sollen.

Keine gute Woche für Filmfans. Und für die Kultur insgesamt? Kulturstaatsministerin Monika Grütters spricht nach dem Corona-Gipfel am Mittwoch von einem „wichtigen Hoffnungszeichen“, endlich werde die Kultur mitgedacht. Aber wie? Vieles bleibt im Lockdown, viele können weiter nicht planen. Mit Ausnahme der Buchläden (ab Montag bundesweit offen) und der Museen: Bei einem Inzidenzwert unter 100 dürfen die Kunsttempel ab 8. März wieder öffnen, „mit Terminbuchung und Dokumentation“. Der Berliner Senat hat am Donnerstagnachmittag für die Hauptstadt entsprechend grünes Licht gegeben.

Bei den Staatlichen Museen ist die Freude groß, auch wenn die Mitarbeiter sich nicht so schnell aus der Kurzarbeit holen lassen. Ab 16. März können das Pergamonmuseum, das Pergamon-Panorama, die Alte Nationalgalerie, die James-Simon-Galerie und das Neue Museum mit Zeitfenster-Tickets wieder besucht werden, ab Ostern dann alle staatlichen Häuser. Die Berlinische Galerie fasst ebenfalls den 15. März ins Auge, auch das Deutsche Historische Museum ist willens, um nur einige zu nennen. Sobald die Inzidenz über100 klettert, ist zwar wieder Schluss. Aber besser On und Off als die Fortsetzung der Dauerpause.

Theater nur mit nachweislichem Schnell- oder Selbsttest, wie soll das gehen?

Anders sieht es für die Bühnen, Konzerthäuser und Kinos aus. Hier lichtet sich der Nebel nicht, auch wenn der Deutsche Kulturrat es so formuliert. Die verwirrenden Beschlüsse vom Mittwoch offenbaren vielmehr eine bestürzende Realitätsferne der Politik, wenn sie die Wiederaufnahme des Spielbetriebs bei einer Inzidenz unter 100 ab 22. März gestattet – mit tagesaktuellen Schnell- oder Selbsttests, solange der Wert über 50 liegt.
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Monika Grütters erwartet von den Bundesländern eine zügige Umsetzung des verabredeten Stufenplans. Sie sei überzeugt, die "Öffnungen im Kulturbereich sind verantwortlich, gut umsetzbar und schlicht notwendig", sagte sie am Donnerstag.

Aber wie bitte können Selbsttests vor dem Theater- oder Kinobesuch nachgewiesen werden? Wer bezahlt die Schnelltests, wo und von wem werden sie ausgeführt? Erst zum Arzt oder Apotheker, dann ins Konzert, ist es so gemeint? Auch die Notwendigkeit bundeseinheitlicher Kinoöffnungen für bundesweite Filmstarts wurde erneut ignoriert. Vollends verwirrend dann die Mitteilung, dass die Kultur beim nächsten Corona- Gipfel am 22. März auf der Agenda steht. Kommt dann alles wieder anders?
Virtuelle Rundgänge, digitale Premieren, tolle neue Filme auf Mubi oder Netflix: Kultur findet ja trotzdem vielfach statt. Zuhause, aber das ist besser als nicht. Sie bleibt allerdings diffus, schwer auffindbar im Meer der Online-Möglichkeiten – und so ist es wohl noch eine ganze Weile.

Die Berlinale verpasst die Chance, dem Publikum im Lockdown etwas zu bieten

Auch deshalb hat die Berlinale eine Chance vertan: Viele Fans sind ungehalten über die Verweigerung jeglichen Online-Filmangebots. Sie fühlen sich bevormundet, weil die Festivalleitung entschieden hat, dass zwar Jurys und Presse zum Marktevent zugelassen sind, aber ansonsten zurzeit kein Mensch noch mehr Filme zuhause auf dem Sofa sehen will. Woher wissen Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek das? Neben all den unübersichtlichen Streaming- und Mediathek-Angeboten wäre ein kuratiertes Qualitätsprogramm die Attraktion mitten im Kultur-Lockdown. Andere Festivals machen es vor, von Leipzig über Ophüls bis Sundance.
Bei allem Verständnis für die Branchendiplomatie des Leitungsduos, das Rücksicht auf das Desinteresse vieler Filmhändler an gestreamten Publikums-Premieren nimmt: Mit einem kleinen, feinen digitalen Filmauswahl für alle hätte die Berlinale ihren Markenkern als weltgrößtes Publikumsfestival weniger beschädigt. Zumal das deutsche Test- und Impfdesaster keine Planungssicherheit erlaubt, auch nicht für die Sommer-Berlinale.</SB> An diesem Freitag werden erstmal die Bären verliehen. Für Produktionen, die außer der Branche keiner kennt.

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