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Ein Modell des geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmals vor dem Berliner Schloss.

© Milla & Partner/dpa

Streit um Standort: Warum das Einheitsdenkmal auf die Berliner Schlossfreiheit gehört

Der Platz vor dem Berliner Schloss nimmt die Widersprüchlichkeiten deutscher Geschichte auf. Ein Gastbeitrag des Vorstandsbevollmächtigten der Deutschen Gesellschaft e.V.

Es könnte so einfach sein. Der Haushaltsausschuss gibt die Mittel für den Bau des Denkmals frei, die im Oktober auslaufende Baugenehmigung wird verlängert und der Wettbewerbssieger setzt um, was er versprochen hat. Doch statt einer Klärung von Formalien ziehen dunkle Wolken über dem künftigen Bauplatz auf. Während die Mittelfreigabe mit gutem Willen schnell zu lösen ist, tauchte in der langen Liste der Ideen, das Freiheits- und Einheitsdenkmal doch noch zu verhindern, vor wenigen Wochen ein neuer Vorschlag auf. So soll der Siegerentwurf von Milla und Partner, eine begehbare überdimensionierte Waage, vor dem Reichstag einen neuen Platz finden.

Leider wärmen die Initiatoren damit eine Suppe auf, die so kalt ist wie der Beschluss des Bundestages zur Errichtung eines Denkmals alt. Und das sind bald elf Jahre. Jede weitere Zeitplanung würde mit dem neuen Vorschlag einmal mehr über den Haufen geworfen.

Zweierlei wird in der Diskussion offensichtlich bewusst und irreführend ausgeblendet. Erstens ging der Sieger des Denkmalentwurfs aus einem Wettbewerb mit 386 Bewerbern hervor, von denen 28 in die engere Auswahl kamen. Dabei war der Standort des Denkmals auf der Berliner Schlossfreiheit Teil des Auslobungstextes. Hier wurde bewusst auf den Sockel des ehemaligen Denkmals für Kaiser Wilhelm I. mit seinen Abmaßen von 85 mal 38 Metern Bezug genommen und auf das städtebauliche Umfeld mit dem Berliner Schloss/Humboldtforum, dem Staatsratsgebäude, der Schinkelakademie und dem Auswärtigen Amt verwiesen. Einen anderen Standort zu wählen, hieße die Entscheidungsgrundlage des Preisgerichts zu ändern. Was das wettbewerbsrechtlich bedeutet, lässt sich nur erahnen.

Alexanderplatz, Pariser Platz oder vor dem Reichstag?

Zweitens scheint vergessen zu sein, dass es bereits im Umfeld des Bundestagsbeschlusses eine lange Diskussion um die Realisierung und den Standort des Denkmals gegeben hat. Initiiert wurde sie von uns, der Deutschen Gesellschaft e. V., dem ersten nach dem Fall der Mauer gegründeten gesamtdeutschen Verein, der seit 2005 als Träger der Initiative zur Errichtung des Denkmals wirkt. Dabei trafen auf den öffentlichen Hearings bereits frühzeitig Befürworter und Gegner des Denkmals aufeinander. Auch über die Standorte wurde breit diskutiert. So wurden etwa auf einem Hearing in der gut gefüllten Nikolaikirche 2007 neben der Schlossfreiheit (favorisiert von der Initiative) auch der Pariser Platz (Opferverbände), der Alexanderplatz (Lore Maria Peschel-Gutzeit, Senatorin a. D.) und ein Standort im Umfeld des Reichstags (Hermann Rudolph, damaliger Herausgeber des Tagesspiegels) erörtert.

Diese offene Diskussion berücksichtigte auch der Deutsche Bundestag. Der Beschluss vom 9. November 2007, der die Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals zur Erinnerung an die Friedliche Revolution und die Wiedergewinnung der staatlichen Einheit forderte, sah zunächst keinen Ort vor. Es hieß nur, das Denkmal solle „in der Mitte Berlins“ errichtet werden. Und weiter: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, gemeinsam mit dem Senat von Berlin einen dafür geeigneten Ort vorzuschlagen.“

Der damalige Kulturstaatsminister Bernd Neumann setzte daraufhin eine „Steuerungsgruppe“ ein. Darin waren Mitglieder des Bundes-Kulturausschusses vertreten, außerdem das Bundesbauministerium, das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, die Senatskanzlei, die Senatsbauverwaltung, das Haus der Geschichte Bonn, das Deutsche Historische Museum sowie die Deutsche Gesellschaft. Diskussionsstoff gab es genug, zumal weitere Standortvorschläge unterbreitet wurden, auch in der Öffentlichkeit. Neben dem Alexanderplatz, dem Pariser Platz und der Schlossfreiheit zählten dazu erneut der Platz vor dem Reichstag, aber auch der Leipziger Platz, die Westseite des Brandenburger Tors, der Lustgarten oder die Lustgartenseite am Schloss.

Auf der Schlossfreiheit stand das Nationaldenkmal Wilhelms I.

Nach mehreren Diskussionsrunden wurde schnell klar, dass die Mehrheit einen für die Friedliche Revolution authentischen Ort im ehemaligen Ostteil der Stadt favorisierte. Dies, so die Argumentation, sei man den mutigen Männern und Frauen schuldig. Damit rückte wieder die Schlossfreiheit in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Hier, in unmittelbarer Nähe zum alten Staatsratsgebäude der DDR, zum Zentralkomitee der SED und DDR-Außenministerium, zogen Teile der größten Demonstration des Revolutionsherbstes vom 4. November 1989 vorbei. Am Ende versammelten sich bis zu einer Million Menschen auf dem Alexanderplatz. Im „Palast der Republik“ tagte die frei gewählte Volkskammer und fasste in der Nacht des 23. August 1990 den Beitrittsbeschluss. Und im benachbarten Kronprinzenpalais wurde der Einigungsvertrag unterzeichnet.

Für die Deutsche Gesellschaft e. V. gab es von Anfang an noch einen weiteren Grund, der für den Ort sprach. Auf der Schlossfreiheit stand das Nationaldenkmal Wilhelms I., dessen Reichsgründung von „oben“ nun im besten Sinne aufgehoben wird durch die Erinnerung an jene, die die Freiheit und Einheit von „unten“ erkämpft haben. Es gibt keinen besseren Platz im Herzen der Hauptstadt, der die Widersprüchlichkeit deutscher Geschichte besser aufnimmt, der Stolz und Freude über eine geglückte Revolution verkündet.

Diese Argumentation machte sich der Bundestag zu eigen. Im Beschluss vom Dezember 2008 hieß es: „Nach Abwägung historischer und inhaltlicher Aspekte ist als Standort der Sockel des Kaiser-Wilhelm-Denkmals vorgesehen.“ Der erneute Beschluss des Bundestags vom Mai 2017 bestätigte das, was bereits zehn Jahre zuvor entschieden wurde. Daran sollten weder verspätete Mittelfreigaben noch neue Standortdebatten etwas ändern.

Der Autor ist Vorstandsbevollmächtigter der Deutschen Gesellschaft e. V. Der Bürgerverein trägt die Initiative zur Errichtung des Einheitsdenkmals.

Andreas H. Apelt

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