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Wilhelminische Pracht. Blick in den Zuschauerraum der Komischen Oper

© Braunfels Architekten

Streit um die Sanierung der Komischen Oper: Die Rückkehr der DDR-Architektur

Beim 2. Wettbewerb zur Sanierung der Komischen Oper fordert der Denkmalschutz eine Wiederherstellung des Bauzustandes von 1966.

Die nächste große Premiere an der Komischen Oper kündigt „Frühlingsstürme“ an. Intendant Barrie Kosky will einmal mehr eine Operette dem Vergessen entreißen. In diesem Fall das letzte unterhaltende Musiktheaterwerk, das in der Weimarer Republik seine Uraufführung erlebte. Jaromir Weinberger war der jüdische Komponist, Richard Tauber der „halbjüdische“ Star des Stücks, das nach nur 41 Vorstellungen von den frisch an die Macht gekommenen Nationalsozialisten verboten wurde.

Reichlich gewittrig geht es gerade auch hinter den Kulissen zu. Eine Generalsanierung der 1892 erbauten und zu DDR-Zeiten umgestalteten Bühne steht dringend an. Außerdem soll auf der unbebauten Fläche, die in der Glinkastraße an das Opernhaus grenzt, ein Erweiterungsbau mit Probebühnen und Büros entstehen.

Doch noch wird vor Gericht um das Filetgrundstück gerungen, die Hoffnungen konzentrieren sich derzeit darauf, dass Berlin im Februar auch in zweiter Instanz gewinnen möge. Wenn nicht, wird sich das ganze Projekt um Jahre verzögern.

Eine peinliche Schlappe musste die Stadtentwicklungsverwaltung gerade beim Architektenwettbewerb hinnehmen, den Stephan Braunfels zu Fall brachte. Er rügte das Verfahren und die Vergabekammer gab ihm recht: 50 Büros sollten bei dem „nichtoffenen“ Verfahren mitmachen dürfen, 15 berühmte Namen wurden im Vorfeld explizit von den Auslobern eingeladen. Anders als die Mitbewerber aber mussten sie sich keiner Eignungsprüfung unterziehen. Das war so nicht in Ordnung.

227 Millionen Euro darf das Projekt kosten

Mal sehen, ob es nun im zweiten Anlauf gelingt, einen Generalplaner zu finden. Diesmal ist der Wettbewerb öffentlich ausgeschrieben. Dabei wurde die Summe, die das Ganze kosten darf, durch die Verwaltung gleich mal deutlich nach oben korrigiert. War bei der ersten Ausschreibung im Sommer noch eine Gesamtsumme von 200 Millionen Euro genannt worden, stehen jetzt 227 Millionen in den Unterlagen, die sich Architektinnen und Architekten im Internet herunterladen können.

94 Seiten umfasst das Dossier, das haarklein die Wünsche der Nutzer auflistet – und die Forderungen der Denkmalschutzbehörde. Vor allem die Vorstellungen von Landeskonservator Christoph Rauhut und seinen Fachleuten sind dazu angetan, dem Leser die Nackenhaare in die Horizontale zu treiben. Denn es soll bei den Ertüchtigungsmaßnahmen am Altbau nicht etwa der Zustand aus Kaiserzeiten wiederhergestellt werden, sondern die Anmutung von 1966.

Der Zustand von 1966 ist die Grundlage der Sanierung

Das nach dem Krieg nur notdürftig hergerichtete Haus war damals im Zuge einer großen Kampagne zur Verschönerung der Hauptstadt der DDR vom Architekten Kunz Nierade zum Solitär umgestaltet worden. Der Neorokoko-Zuschauersaal erhielt mit neuen Foyers eine bewusst moderne, kantige Hülle.

Diese „von einem dem Minimalismus verpflichteten Gestaltungswillen geprägte“ Architektur soll jetzt zu neuen Ehren kommen. Dafür muss beispielsweise ein Sündenfall von 1996 rückgängig gemacht werden: Bei der umfassenden Fassadeninstandsetzung einschließlich Wärmedämmung wurden damals die alten Sandsteinplatten gegen neue ausgetauscht.

Und nicht nur das: Auch „das Plattenraster der Fassaden“ wurde dabei „teilweise verändert“. Weil der Steinbruch, aus dem in den Sechzigerjahren das Material geliefert wurde, noch aktiv ist, verlangt der Denkmalschutz, dass die absolut intakte aktuelle Außenhaut der Komischen Oper abgenommen und durch eine Rekonstruktion des 1966er- Zustandes ersetzt wird.

Die Foyers von Stephan Braunfels sollen zurückgebaut werden

Komplett herausgerissen gehört nach Ansicht des Denkmalschutzes die Ausstattung, mit der Stephan Braunfels die Foyers 2005 aufgewertet hat. Die bedampften Spiegel, die den Raum optisch weiten, ohne die intime Atmosphäre zu stören, müssen weg. Denn dahinter liegen noch die nackten Wände von Kunz Nierade. Die dunkel überstrichene „Lochplattendecke aus Gipsstuck“ soll ihre ursprüngliche Eierkartonanmutung bekommen, die Garderoben ihren sozialistischen Charme. Alles „auf der Grundlage restauratorischer Befunde“, versteht sich.

Die Forderungen erinnern fatal an den Umgang mit der Staatsoper. Auch dort erzwang das Landesdenkmalamt eine Wiederherstellung der Nachkriegsoptik von 1955. Und zwar inklusive aller Backstagebereiche. Statt den Bühnenturm der Komischen Oper mit der hoffnungslos veralteten Technik komplett abzutragen und neu aufzubauen, müssen die Außenmauern auch dort selbstverständlich stehen bleiben. Im Fall der Lindenoper war das ein enormer Kostentreiber.

Es soll eine Opernkasse mit Shop und Café geben

Ziemlich schwindelig kann dem Leser auch werden, wenn er das sogenannte „Bedarfsprogramm“ für den Neubau studiert, das die Künstler zusammengestellt haben. Was da alles allein im Erdgeschoss unterkommen soll: An der Ecke zu den Linden eine Tageskasse, die zugleich „Begegnungsort“ ist, also einen „Bühnenbereich für Veranstaltungen“ hat, ein Café und ein Opernshop.

Dann folgt ein „Workshop-Raum“ für den Empfang von Besuchergruppen und eine Mitarbeiterkantine, die nach dem Vorbild der Deutschen Oper auch für externe Gäste zugänglich sein soll. Im Altbau, wo jetzt noch die Kantine zu finden ist, soll es künftig eine Montagehalle geben.

Ein weiteres öffentliches Café wird für den Neubau gefordert, außerdem muss es Ein- und Ausfahrten geben für die bis zu 18 Meter langen Lkw, die die Dekorationen anliefern. Wie die Architekten das alles ins Erdgeschoss quetschen sollen, ist schwer vorstellbar. Zumal der Neubau nicht bis an die Behrenstraße heranreichen darf. Ein Respektabstand zu Kunz Nierades Baukörper mit dem Haupteingang muss gewahrt bleiben, denn: „Die Solitärwirkung der Komischen Oper im Stadtbild hat eine hohe denkmalpflegerische Bedeutung“.

2005 hat der Architekt Stephan Braunfels die Foyers neu gestaltet.
2005 hat der Architekt Stephan Braunfels die Foyers neu gestaltet.

©  Braunfels Architekten

Auf den weiteren Ebenen des Hauses müssen die knapp 8600 Quadratmeter Nutzfläche für alle Büros reichen, weil der bisher als Verwaltungstrakt genutzte Plattenbau Unter den Linden 41 aufgegeben wird. Was mit dem unsanierten Riegel von 1964 passieren soll, steht noch nicht fest. Sicher ist nur: „Das Gebäude steht im Rahmen des Gesamtensembles unter Denkmalschutz“.

Im Neubau sollen auch zwei Probebühnen mit den Maßen der Hauptbühne untergebracht sein, ein neun Meter hoher Saal, in dem das Orchester arbeiten kann, und ein „Multifunktionsraum“, der über einen separaten Eingang verfügt und an eine Dachterrasse angeschlossen ist. Hier sollen bei Empfängen und Tagungen bis zu 200 Gäste Platz haben.

Die vor wenigen Jahren angeschafften Sessel sollen ausgetauscht werden

Mit Staunen nimmt der Leser schließlich zur Kenntnis, dass im Zuschauerraum die Bestuhlung mit der innovativen Übersetzungsanlage in den Rücklehnen der Sessel „erneuert“ werden soll. Das überrascht. Schließlich wurden die Sitze doch erst vor wenigen Jahren neu angeschafft und befinden sich noch in bestem Zustand. „Entsprechend dem repräsentativen Charakter“ ist außerdem ein neuer Fußbodenbelag im Parkett vorgesehen – und zwar „in höherwertiger Qualität“. Ist das noch ein Fitmachen der Komischen Oper für die Zukunft oder doch schon Luxussanierung?

Bis zum 24. Februar um 17 Uhr müssen die Architekten ihre Unterlagen für die erste Phase des Wettbewerbs eingereicht haben. Dann tagt das Preisgericht am 30. und 31. März, um mindestens 15 und maximal 25 Büros auszuwählen, die an der zweiten Phase teilnehmen können. Dabei geht es dann um die detailgenaue Ausarbeitung der Entwürfe.

Am 18. August soll die Gewinnerin oder der Gewinner feststehen. Der Baubeginn ist für 2023 vorgesehen, die Fertigstellung für Ende 2029. Das allerdings setzt voraus, dass die Sanierung und Erweiterung der Komischen Oper tatsächlich wie eine Operette funktioniert: mit obligatorischem Happy End.

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