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Die Anna Amalia Bibliothek soll zugänglicher werden. Unsere Abbildung zeigt den Vorraum zum Rokoko-Saal.

© Klassik Stiftung Weimar

Streit um Anna Amalia Bibliothek: Grüne Scherben

Zerstörung eines Kulturdenkmals? Die Umbauten an der Anna Amalia Bibliothek in Weimar schaffen Kontroversen.

Sie gehört zum Unesco-Welterbe-Ensemble „Klassisches Weimar“ und gelangte durch den verheerenden Brand 2004 zu trauriger Bekanntheit weltweit: die Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Begründet 1691, siedelte die heutige Namenspatronin – ebenjene Regentin, die Weimar zum kulturellen und geistigen Zentrum der deutschen Klassik machte – die Buchbestände 1766 vom Residenzschloss in das sogenannte Grüne Schloss um.

Die Sanierungsarbeiten nach der Brandkatastrophe haben das 2007 wiedereröffnete Gebäude nicht nur in neuem Glanz erstrahlen lassen, sondern auch diverse bau- und denkmalhistorische Entdeckungen aus dem Bauschutt gehoben.

Darunter Fragmente grüner Keramikfliesen, die für Walther Grunwald, der die Sanierung leitete, das Rätsel um den Namen des 1562 bis 65 erbauten Wohnschlosses gelüftet haben: „Der Fund kam einer Sensation gleich. Der Eingangsbereich war ursprünglich als offene Arkade angelegt und die grünen Ziegelplatten, die wie dreidimensionale Würfel anmuten, symbolisierten den Übergang vom Renaissancegarten zum Renaissancesaal.“

Nun schlägt der Berliner Architekt Alarm, weil seine Rekonstruktion des Bodenbelags im Foyer der Anna Amalia Bibliothek wieder entfernt werden soll: „Die Schäden durch die geplanten Umbauten in der Eingangshalle bringen die Anna Amalia in Gefahr. Damit wird das Weltkulturerbe beschädigt.“

Die Anna Amalia Bibliothk definiert sich neu

Tatsächlich plant die Klassik Stiftung Weimar weitreichende Umbaumaßnahmen im Erdgeschoss. Die sind eingebettet in die Agenda 2020, mit der sich die Anna Amalia Bibliothek neu definiert als Archiv- und Forschungsbibliothek. Neben dem Stammhaus gehören dazu das 2005 eingeweihte, spektakuläre Studienzentrum der Architekten Hilde Barz-Malfatti und Karl-Heinz Schmitz, das 2019 mehr als 62 000 Nutzer und Besucher anzog.

In der 2008 eröffneten und mittlerweile akademischen Lehrwerkstatt für Restaurierungen wurden bislang 56 000 der durch Ruß geschädigten Bücher und eine Million Blätter der Aschebücher aufgearbeitet; auch das Digitalisierungszentrum wird im 330. Gründungsjahr ausgebaut.

In der historischen Bibliothek will man den veränderten Nutzungsanforderungen Rechnung tragen und den Menschenandrang in den engen und konservatorisch diffizilen Räumlichkeiten kanalisieren. Seit der Wiedereröffnung stiegen die Besucherzahlen von 12 600 konstant auf bis zu 90 000 jährlich. Eine Erfolgsgeschichte mit Tücken.

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Denn den Rokokosaal als Hauptattraktion dürfen zeitgleich maximal 25 Personen besichtigen. „Ziel dieser ersten Optimierungsmaßnahme nach der Brandsanierung von 2004 bis 2007 ist es, den bis dato nicht im Fokus stehenden Renaissancesaal zu einem dauerhaften Ausstellungsraum für besonders hochkarätige Objekte unserer Kunst- und Buchsammlungen denkmalgerecht zu ertüchtigen und für unser diverses Publikum erstmals angemessen zu erschließen“, so Stiftungspräsidentin Ulrike Lorenz. Der Schutz des Denkmals habe dabei „höchste Priorität“.

Streit um den grünen Bodenbelag

Der Renaissancesaal kann nur gewinnen. Denn im Zuge der Sanierung konnte er zwar im Ursprungszustand rekonstruiert werden, allerdings verstellten seither elf große Vitrinen den Blick auf die wunderbare Architektur. Kleines Manko: die bislang kostenlos zugänglichen Ausstellungen sollen zukünftig kosten. Im Gegenzug gibt es eine in jeder Hinsicht andere Ausstellungsqualität. Den Auftakt machen „Cranachs Bilderfluten“, wo neben den Weimarer Cranach-Gemälden die Lutherbibel von 1534 präsentiert wird.

Wegen der für derlei Exponate notwendigen besonderen Sicherheitsvorkehrungen und der Bezahlschranke soll der barrierefreie Zugang verlegt und der Bodenbelag mit den grünen Fliesen entfernt werden. Das Landesdenkmalamt hat zugestimmt. Denn der nachweisliche Befund, dass die Fliesen zu Renaissance-Zeiten auch im Erdgeschoss verlegt waren, ist nicht dokumentiert.

„Wir standen damals unter erheblichem Druck, trotz des Brandes bis zu dem ein Jahr zuvor festgelegten Eröffnungstermin fertig zu werden. Da haben wir die Dokumentation versäumt“, sagt Grunwald. „Aber sollte man deswegen diese baugeschichtlich wichtige Rekonstruktion zerstören?“

Das letzte Wort sei in dieser Hinsicht noch nicht gesprochen, versichert auf Anfrage Susanne Dieckmann, Leiterin der Abteilung Bau- und Denkmalpflege der Klassik-Stiftung. Und verspricht, dass der Architekt in weitere Überlegungen einbezogen werden soll.

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