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Botschafter der Staatskapelle: Die Violinisten Wolfram Brandl und Krzysztof Specjal, Yulia Deyneka mit der Viola; und Claudius Popp am Cello.

© Simon Pauly

Streichquartett der Staatskapelle: Schuberts Weg zur großen Sinfonie

Das Streichquartett der Staatskapelle verknüpft in vier Konzerten im Pierre Boulez Saal Schuberts frühe Quartette mit einem der gewichtigen späten.

Diese Formation trägt keinen Komponisten, keine Stadt, keine Göttin im Namen und ist auch nicht nach ihrem ersten Geiger benannt. Trotzdem führt sie den etwas sperrigen Titel „Streichquartett der Staatskapelle Berlin“ aus gutem Grund. Weil damit gleich klar ist, für welches Ensemble Wolfram Brandl, Krzysztof Specjal, Yulia Deyneka und Claudius Popp – die Stimmführer der Staatskapelle – als Botschafter fungieren. Im Rahmen des Schubert-Schwerpunkts des Pierre Boulez Saals erkunden sie diese Spielzeit die Streichquartette, mit denen sich Schubert, wie er schrieb, „den Weg zur großen Sinfonie bahnen“ wollte. In vier Konzerten werden frühe Quartette mit einem der gewichtigen späten verknüpft, dieses Mal mit D 810, „Der Tod und das Mädchen“.

So erfährt man viele spannende Sachen, etwa wie Schubert im dritten Quartett C-Dur D 32 mit ostinat wiederholten Unisono-Passagen Einheit zwischen den Sätzen herstellt, obwohl er das Stück auf mehrere Manuskripte verteilt und möglicherweise nie in dieser Form geplant hat. Oder wie er im Finalsatz des B-Dur-Quartetts D 112 die erste Geige witzige Pianissimo-Figurationen aus punktierten Achteln spielen lässt, die das erhabene Gerüst aus liegenden verlängerten Vierteln, das die drei anderen Instrumente aufzubauen versuchen, immer wieder ziemlich aufmischen.

Überhaupt die erste Geige: Wolfram Brandl ist der prägende Musiker des Abends. Sein markant-silbrig lächelnder, deutlich heraushörbarer Strich liegt quasi ständig wie ein Schimmer am Horizont über allem. Generell besitzt das Quartett einen vollsaftigen, herzhaften, harzig-natürlichen Klang, aber Brandl ist eine Klasse für sich, vor allem Krzysztof Specjals zweite Geige hat demgegenüber Schwierigkeiten, sich zu profilieren. Woran das liegt? Schubert hat diese Stücke nicht unbedingt so komponiert, dass die erste Geige besonders bevorzugt wird, und Brandl spielt keinesfalls rücksichtslos. Es scheint allein der besondere Klang seines Instruments zu sein, der so heraussticht, vor allem auf der A- und E-Saite.

Im Totentanz-Finale ist die Luft raus

Nach der Pause also „Der Tod und das Mädchen“: Erstaunlich zart beginnen die vier Musiker mit der Triolenfigur, die den Kopfsatz prägt und von Anfang an ein Gefühl von Hektik und Verzweiflung transportiert. Organisch, völlig aus diesem Ursprung hervorgehend, entfalten sie, nach den beiden lange ausgehaltenen Ganztönen, das musikalische Gewebe des Satzes in seiner ganzen Dynamik und Dramatik. Emotionales Erschütterungszentrum sind natürlich die Variationen auf Schuberts eigene Vertonung von Matthias Claudius' Gedicht im Andante con moto. Verhalten und brüchig, wie auf einer kratzenden Vinylplatte, die alleine im dunklen Zimmer steht – so setzen die Musiker ein, bevor endlich auch mal die anderen Instrumente, vor allem Claudius Popps inbrünstiges Cello, glänzen dürfen. Schade, dass im Totentanz-Finale, das sich vom Presto zum Prestissimo steigert, offenbar die Luft raus ist.

Warum so verhalten, so leise, so wenig Wirbelwind, Wagemut und Verrücktheit? Das ist schade, aber das musikalische Erlebnis der Sätze zuvor bleibt davon unberührt.

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