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„Männer sind wirklich problematisch“. Der Popstar und Schauspieler Sting. Foto: John Phillips/Getty Images

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Sting im Geburtstaggespräch: „Die Liebe in allen ihren Formen erfährst du erst, wenn du älter wirst“

Sting wird 70 Jahre alt. Im Interview spricht er über das Schwimmen als Therapie, Gender als Spektrum, die Klimakrise und sein neues Album.

Sting, Sie haben am heutigen Samstag Geburtstag. Wie feiern Sie?

Ich mag keine Geburtstagsfeiern! Weil die Leute dann diesen furchtbaren Song singen: „Happy Birthday“ – das hasse ich! Ich singe lieber selbst. Glücklicherweise habe ich eine Show in Athen in einem griechischen Theater unter der Akropolis. Die ist 3000 Jahre alt, dagegen bin ich ein Jungspund! Ich bin also bei meinem Publikum, umgeben von meiner Band und vielen Familienmitgliedern. Das ist die beste Art, das neue Lebensjahr einzuläuten.

Haben Sie Respekt vor der 70?

Ich sehe es als Leistung! Und ich bin froh darüber, dass ich 70 werde. Es gab Zeiten in meinem Leben, da dachte ich nicht im Traum dran, es bis hierhin zu schaffen. Es fühlt sich richtig gut an. Ich gebe nicht vor, dass ich jünger bin als ich wirklich bin. Ich mache allerdings noch denselben Job wie damals mit 25. Und sehe akzeptabel dabei aus. Das liegt an der Mischung aus Disziplin und Eitelkeit.

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Haben Sie den Sinn des Lebens gefunden?

Mir hilft mein Hang zur Philosophie. Ich denke, wenn man älter wird und dem Tod immer näher rückt, muss man eine Lebensphilosophie für sich finden, um sich Dinge zu erklären und Erkenntnisse über den Sinn des Lebens zu gewinnen. Ich bin überzeugt, dass es den Sinn des Lebens gibt.

Im Video zu Ihrer neuen Single „Rushing Water“ stehen Sie am Ende im Meer und singen: „Breathe Into Water“. Ist das eine Atemtechnik, die Sie selbst anwenden?

Es ist eine Art Taufe. Ich taufe mich quasi selbst. Jeden Morgen wache ich auf, und springe in das kalte Wasser. Das Schwimmen darin ist meine Therapie. Es ist eine schöne Art, den Tag zu beginnen. Es weckt den Körper auf.

Wie ist das mit der Musik?

Mir hilft sie immer. Sie ist definitiv meine Therapie. Meine Quelle der Meditation. Sie verbindet – hoffe ich zumindest.

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Den letzten Ihrer 17 Grammys gewannen Sie 2019 für das beste Reggae-Album mit Shaggy. Ist das ein Beleg dafür, dass Sie immer noch zeitgemäß sind?

Ich brauche überhaupt keinen Grammy, um mich relevant zu fühlen. Was mich relevant fühlen lässt, ist über Themen zu schreiben, die Menschen bewegen: Das können gesellschaftliche oder romantische Dinge sein – erst die Verbindung zum Publikum machen die Songs bedeutsam.

Kennen Sie so was wie Schreibblockaden?

Die gab es. Es gab auch immer mal wieder Phasen in meinem Leben, in denen ich weniger kreativ war als zu anderen Zeiten. Ich habe gelernt, dann trotzdem entspannt zu bleiben. Ich tendiere dazu, mein Leben in Abschnitten zu leben. Es gibt eine Saison, in der ich kreativ bin. Eine, in der ich mich meiner Familie widme. Und es gibt eine, in der ich ausschließlich toure. Wenn ich auf Tour bin, denke ich nicht viel. Ich stehe einfach nur auf der Bühne. Dafür braucht man kein Hirn. Das ist wie eine Entspannungsübung für den Geist.

Ihre neue Platte entstand während der Pandemie. Wie hat sich das auf die Ihre Songs ausgewirkt?

Ich hatte ganz sicher nicht die Absicht über die Pandemie zu schreiben. Selbst als das Album fertig war, wusste ich immer noch nicht, worum es auf dem Album ging. Dann guckte ich über die Liste der Songs und realisierte, dass sich alle Charaktere, über die ich geschrieben hatte, im Übergang befinden zwischen Leben und Tod, zwischen Gesundheit und Krankheit, zwischen Beziehungen, zwischen Gegenwart und Zukunft. Das war die Brücke. Sie dient mir als Metapher.

Wofür?

Jeder von uns sucht die Brücke in die Zukunft. Die Brücke dorthin, wo wir uns sicherer fühlen können und glücklicher. Alle Probleme, mit denen wir derzeit konfrontiert sind – sei es die Klimakrise, die Pandemie, politischer Extremismus, Flüchtlingsströme – verlangen nach einer Lösung. Die habe ich zwar auch nicht, aber ich weiß, wenn es eine gibt, dann liegt sie in der Empathie und Liebe.

Wie können wir die Klimakrise mit Empathie und Liebe bekämpfen?

Indem wir es einfach tun und alles dafür in die Waagschale werfen! Wir sitzen alle im selben Boot. Ein „wir haben Glück und ihr nicht“ gibt es nicht. Es ist wie bei der Pandemie: Es ist egal, ob du reich oder arm bist, das Virus killt dich. Auch wenn die ärmeren Leute an vorderster Front betroffen sind, sind wir die nächsten – ohne jeden Zweifel. Wie gesagt, ich habe keine Lösung. Aber ich weiß, dass wir dem Rest der Welt helfen müssen. Wir müssen den Menschen Impfstoff geben. Wir müssen ihnen helfen, mit den Klimaveränderungen klarzukommen. Denn wir sind alle eine große unglückliche Familie.

Im neuen Song „Harmony Road“ singen Sie davon, dass arme Menschen nicht die gleichen Chancen haben wie andere.

Herkunft und die sozialen Probleme, die damit einhergehen, markieren dich häufig für dein ganzes Leben. Ich bin in so einer Gegend aufgewachsen. Ich habe es geschafft, meine Stadt zu verlassen und ein besseres Leben zu leben, aber viele Menschen sind gefangen in ihrer Situation. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, wie es sich anfühlt, an einem Platz zu sein, an dem es nicht so komfortabel ist.

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Das gesellschaftliche Klima hat sich in den letzten 18 Monaten nicht gerade gebessert.

Aber das Positive ist: Durch die Pandemie war jeder von uns gezwungen, seine Gefühle in Bezug auf Beziehungen, die Arbeit und die Achtsamkeit gegenüber unserem Planeten neu zu kalibrieren. Die Pandemie geht vermutlich aufs Konto menschlicher Aktivität. Das nächste Virus könnte noch viel gefährlicher sein. Insofern müssen wir uns gut überlegen, wie wir die Umwelt behandeln und uns gegenseitig.

Sie selbst kämpfen ja schon etwas länger gegen den Klimawandel.

Ich wünschte, ich hätte mich damals geirrt, als ich anfing, mich für den Regenwald zu engagieren und 1987 die Rainforest Foundation gründete. Ich läge lieber falsch als Recht zu haben. Aber ich habe mir immer noch ein Fünkchen Optimismus bewahrt. Auch wenn der Kampf von Jahr zu Jahr schwieriger wird, müssen wir optimistisch bleiben und uns sagen: Es muss eine Lösung geben. Denn das zeitliche Fenster schließt sich langsam.

Bemühen Sie sich, klimaneutral zu touren?

Ich habe aufgehört, Privatflugzeuge zu benutzen. Letzte Nacht sind wir im Bus von Baden-Baden nach Hamburg gereist. Ich habe im Bus geschlafen, und das klappt viel besser als im Flugzeug. Ich habe natürlich immer noch einen ziemlich großen CO2-Fußabdruck, dessen bin ich mir bewusst. Aber ich arbeite stetig daran, es besser zu machen. Ich habe Kinder und Enkel, ich habe Verantwortung. Ich will alles dafür tun, ihnen die Welt in einem lebenswürdigen Zustand zu hinterlassen.

Beim Hören Ihres neuen Albums könnte man den Eindruck gewinnen, Sie seien frisch verliebt!

Ich liebe meine Frau Trudie vom ganzen Herzen, und das jeden Tag aufs Neue. Insofern ist es nicht ganz falsch. Aber es stimmt schon, ich habe dieses Mal viel mehr über Liebe geschrieben und was sie bedeutet: das Mysterium der Liebe, die Eifersucht, komplett krank vor Liebe zu sein bis hin zur größten Wonne und Freude. Ich habe alle diese Facetten erlebt. Was wusste ich schon als Teenager darüber? Gar nichts! Erst wenn du älter wirst, erfährst du Liebe in all ihren Formen. Als 70-jähriger Mann kann ich heute mit Authentizität darüber schreiben. Ich weiß aber auch: Es ist nicht immer alles schön.

Stehen Sie im Einklang mit Ihrer femininen Seite?

Absolut! Deshalb bin ich Künstler. Das gibt mir den Raum, diese Seite zu betonen. Wir müssen alle akzeptieren, dass wir nicht nur ein definiertes Geschlecht in uns tragen. Ein Teil von mir ist feminin. Ich liebe das. Diese Seite an mir ist in der Lage, empathischer zu sein – wie meine Mutter. Ich bin auch stark wie mein Vater. Anzunehmen, dass wir alle auf einem Spektrum der Geschlechter existieren, ist gesünder als zu sagen: Ich bin männlich oder eine Frau. Niemand von uns ist nur das eine. Da fällt mir sofort Trump ein: Er wirkt oft wie seine eigene Mutter, doch gibt er vor, dieser Macho-Typ zu sein. Männer sind wirklich problematisch.

Zur Person: Sting

Sting wurde 1951 als Sohn eines Milchmanns in einem Vorort von Newcastle geboren. Sein bürgerlicher Name lautet Gordon Matthew Thomas Sumner. Berühmt wurde er dann von 1978 an als Sänger und Songschreiber der Band The Police. Deren erstes Album heißt „Outlandos D’ Amour“, worauf sich ewige Hits wie „Roxanne“, „So Lonely“ und „Can’t Stand Losing You“ befinden. Weitere Police-Hits sind „Message in a Bottle“ oder „Every Breathe You Take“.

1983 lösten The Police sich auf und Sting startete erfolgreich eine Solokarriere, gewann zahlreiche Grammys und trat 2001 in der Halbzeitpause des Super Bowls auf. Auch als Schauspieler ist Sting gefragt. Er spielte unter anderem in Filmen von David Lynch, Terry Gilliam oder Mike Figgis mit.

Das neue Album von Sting heißt „The Bridge“ und erscheint im November. Die erste Single war „If It’s Love“, gerade ist mit „Rushing Water“ ein weiterer Song herausgekommen. (Tsp)

Katja Schwemmers

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