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Eine Wendeltreppe verbindet die beiden Ausstellungsgeschosse.

© BBB/Hans Martin Sewecz

Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung: So sieht es im früheren Deutschlandhaus jetzt aus

Der Um- und Neubau des früheren Deutschlandhauses ist fast vollendet. Eine Erstbegehung macht deutlich: Der künftige Sitz der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung ist im Inneren kompromisslos neu.

Still war es geworden um die Baustelle am Askanischen Platz, in Vergessenheit geriet der Streit um die Personalien der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung (SFVV). So geriet auch die Stiftung als Ganzes ins Abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Gestern nun gab es eine Art Weckruf in Gestalt der Erstbegehung des weitgehend fertiggestellten Gebäudes, des früheren Deutschlandhauses, das der SFVV als künftiges Domizil dienen wird. Viereinhalb Jahre hat das Baugeschehen gedauert, das zum Teil der Erhaltung und Sanierung des historischen Gebäudes an Stresemann- und Anhalter Straße diente, zum anderen, größeren Teil der Errichtung eines neuen Bauwerks, das sich als Kubus hinter den beiden rechtwinklig zueinander stehenden Straßenfronten erhebt, mit drei Hauptgeschossen für die Ausstellungen der SFVV.

Der Eindruck, den der Besucher der Stiftung künftig haben wird, ist also der eines Neubaus mit vorgelagertem, etwas älterem Eingang – wobei die tatsächliche Entstehungszeit 1926–35 als solche im Inneren nicht erfahrbar ist. Abgesehen von den mustergültig wiederhergestellten Fassaden im Stil einer eher konservativen Moderne richtete sich die Denkmalpflege auf die Inneneinrichtung des einstigen „Café Stresemann“ an der Straßenecke – holzgetäfeltes Neobiedermeier, wie es sinnbildlich für den Gemütsbedarf der Nachkriegszeit steht.

Eine Wendeltreppe als organische Verbindung

Ganz anders die Ausstellungsräume. marte.martearchitekten aus Österreich, die den Wettbewerb des Jahres 2011 – so lange ist das her! – gewannen, zeigen sich in ihrem Betonkubus als kompromisslose Verfechter der Gegenwart. Sie fügen dem Altbestand ein großzügiges, seitlich von ganz oben tagesbelichtetes Foyer an, aus dem eine enorm breite Treppe ins 1. Obergeschoss führt. Dieser weite, stützenlose Raum soll die Dauerausstellung der Stiftung aufnehmen, die sich im 2. Obergeschoss fortsetzt. Das allerdings ist tageslichtlos und damit zur Aufnahme empfindlicher Originalobjekte geeignet.

Erreicht wird der zweite Stock über eine Wendeltreppe, die sich von der Plattform des ersten Geschosses durch eine kreisrunde Öffnung nach oben schraubt. Kein gesondertes Treppenhaus also, das das Ausstellungskontinuum jäh unterbricht, sondern dessen organische Verbindung – ein höchst gelungener Einfall.

Die gesamte Haus- und Klimatechnik kommt in den weit gespannten Betondecken unter. Kehrt der Besucher ins Erdgeschoss zurück, findet er noch einen vielleicht etwas niedrigen Raum für Wechselausstellungen sowie einen ganz in Eichenholz gehaltenen Veranstaltungsraum vor.

Doch das Haus ist kein Museum, sondern ein Dokumentationszentrum, in dem Archivarbeit betrieben und Forschung geleistet werden soll. Es bot sich an, den historischen, straßenseitigen Bestand wie schon immer für Büroräume zu nutzen, in denen die eigentliche Tagesarbeit vonstattengeht. Büroräume befinden sich auch in den nachkriegszeitlichen beiden Obergeschossen des L-förmigen Bauteiles. Sie werden künftig vom benachbarten Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit genutzt.

Die gesamte Baumaßnahme unter Federführung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) umfasst eine Bruttogrundfläche von 12 700 Quadratmetern mit 7200 Quadratmetern Nutzfläche. Davon entfallen rund 3000 Quadratmeter auf die Ausstellungsflächen. Die gesamten Baukosten werden vom BBR mit „rund 60 Millionen Euro“ angegeben, was sie mit den ursprünglich nur für die Stiftung bewilligten 35 Millionen Euro schwer vergleichbar macht.

Ein Bild wird gerettet, um es zu verstecken

Ursprünglich war vorgesehen, die „historische“  Treppe ins 1. OG beizubehalten. Dort befand sich das gebäudehohe Glasgemälde, das der Künstler Peter Kowalski 1950 für eine Ausstellung „Verlorene Heimat“ geschaffen hatte und das in jedem Fall zu erhalten war. Die Architekten haben es jetzt in den schmalen Schlitz zwischen Altbau und Neubaukubus verbannt. Man kann es von keiner Stelle aus auch nur annähernd zur Gänze erkennen.

Es ist dies ein leider sehr sprechendes Beispiel dafür, wie Architektenwillkür im Zusammenspiel mit denkmalpflegerischer Gleichgültigkeit einen seinerzeit hoch umstrittenen, schließlich doch gefundenen Kompromiss zu unterlaufen und ad absurdum zu führen vermag. Der Berliner Denkmalpflege war das Neobiedermeier der Eckkneipe wichtiger, und die politisch Verantwortlichen, die vor Jahren um die Gründung der Stiftung SFVV gerungen haben, sind nicht mehr in ihren Ämtern.

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