zum Hauptinhalt
Der amerikanische Musiker Stephen Malkmus.

© Domino

Stephen Malkmus live in Berlin: Die Gitarre ist ein kleines schwarzes Tier

Stephen Malkmus & The Jicks gaben im Kreuzberger Lido ein verzückendes Indie-Rock-Konzert.

Er steht nicht im Zentrum der Bühne. Er steht links außen und sagt: „Wir sind die Jicks“. Die Faszination, die von Stephen Malkmus ausgeht, ist immer noch seine schlaksige Beiläufigkeit. Und ihn live zu sehen, bedeutet vor allem Verblüfftsein darüber, dass er es schafft, aus seiner halslosen Dahingegossenheit dieses verdammte Gitarrenspiel herauszuholen.

Ein Gitarrenspiel, das es so eigentlich gar nicht geben dürfte. Die Augen geschlossen, schlägt er Akkorde mit der laschen Handkante an oder lässt seinen ganzen Unterarm wie eine betrunkene Schlange an den Saiten vorbeiziehen, dann „springt“ er, und man muss das hier in Anführungszeichen setzen, denn ein Stephen Malkmus springt nicht, er wird von unsichtbaren, lockeren Fäden kurz vom Bühnenboden gehoben, wobei sich ein Bein zu einer Art Trittbewegung hebt, nur um dann rückwärts in den unsicheren Stand auf zwei Beinen zurückzufinden, der ihm gerade genug Gleichgewicht für diesen wunderbar unsicher anrührenden Gesang bietet.

Wie das wehflehende „eh, eh, eh, eh“ im Refrain von „It Kills“. Dessen Zartheit er nur Sekunden später die ganze Stärke seiner E-Gitarre hinterherschmeißt, in einem Jam auf Kniehöhe, der aussieht, als wäre seine Gitarre ein kleines schwarzes Tier, das er durchkitzelt. Kurz bevor er es sich, wie einen Ghettoblaster, hinter den Kopf hält. Dann wischt er sich mit dem Gitarrengurt durch die Augen. Er wird vielleicht alt, aber niemals älter.

"Freeze The Saints" ist der emotionale Konzert-Höhepunkt

„Hey Dudes, and some girls, wassup?“, sagt er irgendwann nach acht, neun Liedern in das Lido hinein. Und völlig unverständlicherweise hat er damit recht. Ein Stephen-Malkmus-Publikum ist ein fast komplett männliches Pavement-Gedächtnis-Publikum. Also Fans jener Neunziger-Jahre-Band („Slanted and Enchanted“), die nicht wenige Zeitzeugen für die beste Band der neunziger Jahre halten, und die sich nach fünf Platten auflöste. Mittlerweile hat Malkmus mehr als doppelt so viele Alben solo oder mit anderen Bands herausgebracht. Im Mai erschien „Sparkle Hard“, das er mit den Jicks aufgenommen hat. Auf der Platte gibt es Violinen, Autotune und Kim Gordon. Von all dem ist auf der Bühne nichts zu hören. „Refute“, das Gordon-Duett, singt Malkmus mit seiner kaum hörbaren Bassistin Joanna Bolme, die sich daraufhin entschuldigt, aber alles Verstolpern ist hier Teil des Charmes.

Der Höhepunkt des Konzerts sind auch nicht die Pavement-Cover, sondern es ist Malkmus’ nur von einem Keyboard begleitete Version seines 2005er-Songs „Freeze The Saints“. Wer danach nicht völlig verzückt war, hat seine Augen und Ohren nicht verdient.

Julia Friese

Zur Startseite