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Warten auf den Eisprung: Lena (Karin Hanczewski) möchte dringend schwanger werden.K

© Kinostar

Starker Debütfilm: "Im Sommer wohnt er unten": Bloß nicht untergehen

Die französische Atlantikküste kann so schön sein. Wenn nur nicht der Bruder und seine Frau auftauchen würden. Tom Sommerlattes bitterböse Komödie „Im Sommer wohnt er unten“ handelt von einem kalten Familienkrieg.

Ein Swimmingpool symbolisiert maximale Entspannung. Träger als auf einem davor postierten Liegestuhl kann man einen Sommer kaum dahinfließen lassen. Aber im Swimmingpool lauern auch Gefahren. Wer hineinspringt, sollte schwimmen können. Die Filmgeschichte ist voll von warnenden Beispielen. Im Thriller „Der Swimmingpool“ mit Alain Delon und Romy Schneider ertrinkt ein Mann. Genau gesagt: Er wird ertränkt. Und in François Ozons Melodram „Swimming Pool“ stirbt ebenfalls ein Mann. Seine Geliebte erschlägt ihn mit einem Stein.

Auch in „Im Sommer wohnt er unten“, dem ersten langen Spielfilm von Tom Sommerlatte, bildet ein Swimmingpool den dramaturgischen Mittelpunkt der emotional und erotisch aufgeladenen Handlung. Nur ermordet wird keiner. Am Anfang sonnen sich Matti (Sebastian Fräsdorf) und seine Freundin Camille (Alice Pehlivanyan). Der Sommer an der französischen Atlantikküste verspricht großartig zu werden.

Spaß hat hier keiner

Doch Matti grummelt auf jede Aufforderung bloß „okay, okay“, Camille antwortet, sie brauche im Urlaub „kein zweites Kind“. Ihr erstes, eigentliches Kind heißt Etienne und lernt gerade schwimmen. Später wird Matti nachts mal mit seiner Schwägerin Lena (Karin Hanczewski) im Pool planschen. Sie trinken, küssen sich, und Lena sagt, dass sie dringend schwanger werden müsse. Dazu läuft das Chanson „Pour le plaisir“.

Plaisir, also Spaß, hat in diesem Film zunächst niemand. Denn als Mattis Bruder David (Godehard Giese) und seine Frau verfrüht im elterlichen Ferienhaus aufkreuzen, beginnt ein kalter Familienkrieg. Gleich nach der Ankunft verkündet David: „Der Rasen muss gemäht werden.“ Mit dem Befehlston meint er Matti, in dem er eine Art Hausmeister sieht. Matti erfüllt in der Frankfurter Bankiersfamilie die Planstelle des Verlierers. Er hat es zu nichts gebracht und begibt sich am liebsten per Joint in den Stand-by-Modus.

David hingegen ist ein erfolgreicher Börsenbroker. Verkauft sich jedenfalls erfolgreich als solcher. Vor allem aber ist er ein Arschloch. Er mag keine Kinder und wirft den kleinen Etienne aus der Villa. Außerdem nimmt er seinem Bruder – darauf verweist der Titel des Films – das Chefzimmer im Obergeschoss des Hauses weg. Wobei es ihm weniger um das Zimmer als um die Demütigung geht.

Die Stärke der Schwachen

„Im Sommer wohnt er unten“ ist ein psychologisch präzises Kammerspiel, bei dem sich in der räumlichen Ordnung auch die soziale Hierarchie zeigt. Allerdings verschieben sich in der bitterbösen Komödie ständig die Grenzen zwischen Oben und Unten. Anfangs unterwirft sich Matti geradezu hündisch seinem Bruder. Devot jammert er: „Ich gebe mir Mühe, aber alle schreien mich an.“ Worauf seine Freundin Camille faucht: „Du hast keine Eier“ und sich dem Testosteron-Macker David zuwendet.

Doch dann vergnügen sich Camille und Matti lautstark miteinander, um David und Lena zu beschämen, die zwar den Ratgeber „Wir wollen ein Baby“ mitgebracht haben, sexuell aber schon lange auf dem Trockendock liegen. Topdog David, man hatte es bereits geahnt, ist ein Hochstapler. Job verloren, Schulden und jetzt auch noch Potenzprobleme. Helfen könnte wohl nur der Bruder. Die versöhnliche, fast biblische Botschaft des starken Debütfilms lautet: Die Schwachen werden die Starken sein.

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