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Dark Rider: Abel Tesfaye alias The Weeknd

© promo

"Starboy" von The Weeknd: Kreuzzug ins Glück

Der Wahnsinn hinter der Schönheit: Mit „Starboy“ gelingt dem 26 Jahre alten kanadischen R'n'B-Star The Weeknd ein großes Pop-Album.

Wer es zu etwas Großem bringen will im Pop, darf es nicht an den richtigen Referenzen und schon gar nicht an Selbstbewusstsein fehlen lassen. So hört man dieser Tage häufig einen Ausspruch, den der 26 Jahre alte kanadische Musiker Abel Tesfaye alias The Weeknd gegenüber diversen amerikanischen Magazinen gemacht hat, um auf eine Leerstelle im Großpop der Gegenwart hinzuweisen: „Diese Kids haben keinen Michael Jackson. Sie haben keinen Prince. Sie haben keine Whitney. Wen gibt es noch? Wer soll an deren Stelle treten?“

Tja, und die Antwort darauf ist, wie man sich leicht denken kann: zum Beispiel er selbst. The Weeknd hat gerade sein drittes Album „Starboy“ veröffentlicht und will sich damit sehr gezielt auf den einen oder anderen verwaisten Pop-Thron setzen.

Wie ernst es ihm damit ist, zeigt allein das schon Anfang Oktober veröffentlichte Video zu dem mit den französischen Elektropop Duo Daft Punk geschriebenem Titelsong des Albums. Das beginnt mit einem symbolischen Mord. Der neue The Weeknd im martialisch anmutenden Dark-Rider-Outfit erstickt den alten The Weeknd mit seiner turmhohen Rastafigur und den jugendlichen, fast noch kindlich anmutenden Gesichtszügen.

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Danach setzt eine Reihe von gebrochenen Beats ein, erklingen ein paar verwehte Piano-Tupfer, The Weeknd wandert durch sein Appartement, beginnt melancholisch-dunkel zu singen und schlägt in der Folge mit einem schön neonrot leuchtenden Kreuz einige Pokale, goldene Schallplatten und verglaste The- Weeknd-Poster kaputt. Nachdem das erledigt ist, setzt er sich in seinen fast 800 PS starken, ebenfalls rotmetallic leuchtenden McLaren P1, neben sich ein Puma auf dem Beifahrersitz, und düst in die mutmaßlich kalifornische Nacht, auf dem Kreuzzug ins Popstartum.

Viel Düsternis und Psychedelik, dazu sinnfreie Schockästhetik

Geboren, nicht um zu sterben, sondern um größer, erfolgreicher, starboyiger zu werden als sowieso schon. Wobei der 1990 im kanadischen Toronto als Sohn äthiopischer Einwanderer geborene Abel Tesfaye allein die ersten Stationen seiner Karriere in einer atemberaubenden Geschwindigkeit durchlaufen hat. Zuerst veröffentlichte er 2011 gleich drei Mixtapes im Netz, die von seinem Landsmann und Kollegen Drake ein paar nette Worte mit auf den Weg bekamen, „Follow the young king!“, und mehrere hundertausend Mal heruntergeladen wurden. Daraufhin folgte mit „Kiss Land“ ein offizielles Debütalbum, 2014 ein Hit mit der Pop-Prinzessin Ariana Grande und ein Jahr später mit „Beauty Behind The Madness“ ein weiteres Album, von dem drei inhaltlich und stilistisch wegweisende Hitsingles ausgekoppelt wurden.

Zum einen „Earned It“ für den „Fifty-Shades-of-Grey“-Soundtrack, worin The Weeknd das perfekte Girl besingt und wie es zu ihm stehen soll; zum anderen „Can’t Feel My Face“, bei dem er nicht nur bisweilen Jacksons Gessangstil nachahmt, sondern im zugehörigen Video tatsächlich tanzt wie Michael Jackson, allerdings um einiges ungelenker. Das hat ein bisschen was Kabarettistisches, doch als er sich zum Finale in Flammen setzt, bekommt das Ganze eine interessante neue, den Michael-Jackson-in-sich wegbrennende Dimension; und zum dritten das Stück „The Hills“, das bohrend und düster von einer Affäre erzählt und im dazu gehörigen Film mit einem Autounfall beginnt, den Tesfaye und seine Begleiterin überleben, um sich daraufhin auf der Straße die Meinung zu sagen.

The Weeknd versteht es, die R’n’B- genretypischen Liebesgeschichten mit viel Düsternis, Psychedelik und Dramatik anzureichern und diese in den dazugehörigen Videos mit einer hübschen, an Filmemacher wie John Carpenter oder David Cronenberg gemahnenden, durchaus sinnfreien Schockästhetik zu versehen. Der Wahnsinn hinter der ganzen Schönheit halt.

Daft Punk rahmen das Album mit zwei großartigen Stücken

All das findet sich auch auf „Starboy“, dem Album, und den dazu gehörigen Filmchen. Überdies aber hat sich Abel Tesfaye mit seinem Lieblingsproduzenten Martin McKinney einen Haufen Gäste eingeladen und mit diesen Songs geschrieben und produziert, auf dass man ihn bloß nicht mehr allein für einen zufällig berühmt gewordenen R’n’B- Künstler halten möge. Sondern für einen vielfältig interessierten, musikalische Trends setzenden Popstar, der strategische Bündnisse einzugehen bereit ist.

Und wenn er ruft, kommen dem alle gern nach, von den Hip-Hop-Künstlern Kendrick Lamar, Future und dem A-Tribe-Called-Quest-Mitglied Ali Shaheed Muhammad über Stargirl Lana del Rey als Starboy-Pendant bis hin zu eben jenen, einer ganz anderen Generation als Abel Tesfaye angehörenden House-Musikern Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo von Daft Punk.

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Wenn man das aus 18 Stücken bestehende Album grob in zwei Hälften gliedern mag, zeigt die eine davon einen Sänger und Musiker, der nicht nur die Charts, sondern vor allem die Clubs noch einmal gezielter anvisiert. Mehrere Stücke sind lupenreiner, zum Teil typisch französischer, frequenzengefilterter Elektro- und House-Pop, selbst wenn Daft Punk nur an zwei Stücken entscheidend beteiligt sind, die das Album mit dem Titeltrack zu Beginn und dem dem wunderbar getragenen Schlussstück „I Feel It Coming“ schön rahmen. Am hinreißendsten ist jedoch „Secrets“, das zwei überraschend fließende Achtzigerjahre-Samples enthält, von den Romantics und von Tears For Fears. Abel Tesfaye singt es in zwei ganz unterschiedlichen Tonlagen.

Es sind dann aber genau die Stücke, die nicht sofort nach den Charts schreien, in deren Tonspur nicht in Großbuchstaben das Wörtchen Pop steht, die ruhigeren, seelenvolleren, die dieses Album zu einem so runden und reifen und wirklich großen machen, die genügend Unterscheidungspotenzial zum handelsüblichen R’n’B aufweisen. Wie schön und sanft, wie melancholisch und Tragik-umflort dieser Abel Tesfaye mit seiner Falsettstimme singen kann! Wie sehr er die Jackson-Phrasierungen und -Quiekser eliminiert hat und zu einer eigenen hat!

„You’re only looking for attention“ verzweifelt er in einem Song, „This ain’t ordinary life“ behauptet er in einem anderen, beides Zeilen, die hier natürlich aus den für das Album typischen Beziehungsaufarbeitungs- und Frauenanbetungskontexten gerissen sind. Die aber für sich genommen zu verstehen sind: Abel Tesfaye alias The Weeknd gebührt die volle Aufmerksamkeit, er hat auf dem Pop-Markt gerade etwas Einzigartiges, und ein Prince of Pop zu sein, ist doch auch schon mal etwas!

„Starboy“ von The Weeknd ist bei Universal erschienen.

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