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Raumfahrer oder Club-Tänzer? Die Choreografie „Oval“ des Amerikaners Richard Siegel wird von einem zwölfköpfigen Ensemble aufgeführt.

© Yan Revazov

Staatsballett Berlin: Im Schutz des Lichtrings

Das Staatsballett Berlin zeigt den dreiteiligen Abend „Balanchine Forsythe Siegal“ in der Staatsoper Unter den Linden.

Von Sandra Luzina

Das Staatsballett Berlin befindet sich derzeit noch in einer Übergangsphase. Johannes Öhman hat die erste Spielzeit allein gestemmt, Ko-Intendantin Sasha Waltz stößt erst im Sommer dazu und wird in der nächsten Saison eine Uraufführung beisteuern. Äußerst behutsam versucht Öhman, die Compagnie neu auszurichten. Das wurde auch bei der letzten Premiere in der ersten Spielzeit deutlich: Der dreiteilige Ballettabend mit Choreografien von George Balanchine, William Forsythe und Richard Siegal beginnt auf ästhetisch vertrautem Terrain und wagt am Ende einen Sprung in die Zukunft.

In seinem Ballett „Theme and Variations“ aus dem Jahr 1947, das er zum letzten Satz von Tschaikowskys Suite für Orchester Nr. 3 G-Dur kreierte, beschwört Balanchine die Blütezeit des russischen Balletts herauf. Aus einem einfachen Schritt entfaltet er ausgeklügelte Arrangements mit strengen Symmetrien und klarer Linienführung. Grazie und Grandeur: Das Ballett ist perfekt, um sich beim Publikum einzuschmeicheln. Endlich konnte man Neuzugang Daniil Simkin bei einer Premiere erleben. Der gebürtige Russe beeindruckt als sensibler Virtuose mit enormer Präsenz. Er ist ein verlässlicher Partner von Gaststar Maria Kotchetkova, die anfangs noch etwas zurückhaltend wirkte, dann aber mit filigraner Anmut ihr brillantes Können demonstrierte.

Das Aufbrechen der geometrischen Anordnungen ist aufregend

Wie der Choreograf William Forsythe in „The Second Detail“ von 1991 die geometrischen Anordnungen des neoklassischen Balletts aufbricht, ist radikal und aufregend. Das Stück wurde schon 2006 vom Staatsballett Berlin getanzt. Doch die Interpretation durch die 14 Tänzer enttäuscht zumeist. Den Bewegungen fehlte es an Schärfe und Präzision.

Doch der Abend in der Staatsoper kriegte doch noch die Kurve dank der Uraufführung „Oval“ von Richard Siegal. Den Amerikaner zusammen mit den beiden Meister-Choreografen zu präsentieren, macht durchaus Sinn. In Zusammenarbeit mit Künstlern unterschiedlichster Disziplinen hat Siegal innovative, dabei hochvirtuose Stücke entwickelt, die dem Ballett den Weg in die Zukunft weisen. Mit „Oval“ vollendet er nun eine Trilogie von Choreografien zu Musik von Alva Noto (das Pseudonym, das der bildende Künstler Carsten Nicolai als Musiker wählt). Für das Bayerische Staatsballett entstanden „UNITXT“ und „In A Landscape“. Dem Berliner Staatsballett könnte er mit „Oval“ einen Renner beschert haben.

Plötzlich strahlt der Ring in Pink

Auch hier kommt wieder LED-Licht als integraler Bestandteil des Bühnenbilds zum Einsatz. Wie der Ring eines Planeten mutet das Objekt an, das über der Mitte der Bühne schwebt. Dank schnell wechselnder Lichtimpulse entstehen Streifen- oder Punktraster. Der Ring scheint sich sich mal im Kreis zu drehen, mal aufzulösen und strahlt dann plötzlich in Pink. Die elektronischen Klänge von Alva Noto sind genau auf die Video- und Lichtinstallation von Matthias Singer abgestimmt.

Der Lichtring wird zum Schutzschirm, unter den die Tänzer sich flüchten, um dann wieder auseinanderzustieben. In ihren hautengen Latexanzügen in Schwarz und Beige muten sie wie eine Kreuzung aus intergalaktischen Raumfahrern und Berliner Club-Tänzern an. Sie durchlaufen verschiedene energetische Zustände. Manchmal wirken die Bewegungen etwas roboterhaft. Dann wieder pflügen sie durch den Raum. Ksenia Ovsyanick kreiselt sich unter dem Ring in Ekstase. Die Duette sind herausfordernd und rabiat, die Männertrios zeichnen sich durch harmonische Momente aus. Immer wieder blitzen klassische Tanzfiguren auf, die von Siegal variiert und verformt werden. Das Zusammenspiel von Tanz, Musik und Licht in „Oval“ ist exzellent, sodass man als Zuschauer in eine andere Sphäre hineingezogen wird. Das zwölfköpfige Ensemble läuft zu großer Form auf. Ksenia Ovsyanick in ihrer stählernen Anmut wirkt fast wie eine Außerirdische. Und auch die anderen Tänzer sind superb. Die Zusammenarbeit mit Richard Siegal hat sie offenkundig beflügelt.
Staatsoper, wieder am 6., 10./11., 17./18. und 24. Mai

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