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Rückhaltlose Hingabe. Die Violinvirtuosin Janine Jansen.

© Decca/Borggreve

Spectrum Concerts im Kammermusiksaal: Heimat ist mehr als ein Ort

Verwirrung und Sehnsucht, musikalisch spürbar gemacht: Ein beeindruckender Spectrum-Concerts-Abend mit der Geigerin Janine Jansen, die Erich Wolfgang Korngold spielt.

Was das Ensemble der „Spectrum Concerts“ an diesem Abend bietet, ist jenseits des musikalischen Maßstabs! Dabei klingt das Motto im Kammermusiksaal noch unverfänglich: Es geht es um „Heimat“ und „Heimatsuche“ – und, wie immer bei Spectrum, um die transatlantischen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA. Wer wäre da besser geeignet als der jüdische Emigrant Erich Wolfgang Korngold? Dessen Suite für zwei Violinen, Violoncello und Klavier linke Hand op. 23 komponierte der Wiener 1930 für den Star-Pianisten und Philosophenbruder Paul Wittgenstein, der bei Gefechten im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte.

Heute sitzt Eldar Nebolsin am Flügel, der den einhändigen Part erschreckend präzise auszuführen versteht. Ihm zur Seite steht ein famoses Ensemble, das sich mit jeder Faser des Körpers in die widersprüchlichen, gar melancholischen Elemente dieses Werks hineinversetzt. Allen voran die Violinistin Janine Jansen: Ihr Spiel ist butterweich und kraftvoll, kernig und ausdruckstark, rastlos und lebendig, während sie vogelgleich vom Präludium über die Fuge bis zu den tänzerisch-kakofonischen Brechungen des Walzers hinübergleitet – als wäre das Stück eine Prognose der späten 30er Jahre, die für Korngold persönliche Verzweiflung in Wien, aber eben auch künstlerische Weiterentwicklung in Hollywood bedeuteten.

Besinnliches Adagio

Das Adagio aus Alban Bergs Kammerkonzert für Violine, Klarinette und Klavier ist weitaus besinnlicher. Olivier Patey und Cellist Torleif Thedéen am Cello betonen im perfekten Zusammenspiel Strenge und Proportion, Zurückhaltung und Sentimentalität.

Schönbergs Kammersinfonie ist zwar noch spätromantisch geprägt, verweist aber schon auf den Verfall des Alten Europas und das Ende der Tonalität. Während das Ensemble die Verwirrung musikalisch spürbar macht, beginnt sich der Zuhörer ein wenig unwohl zu fühlen. Das soll so sein: Denn Heimat ist, so die bittersüße Erkenntnis, mehr Sehnsucht als ein Ort.Tomasz Kurianowicz

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