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Berliner Späti-Kultur im Wedding.

© Kitty Kleist-Heinrich

Spätis sollen am Sonntag schließen: Das Berliner Lebensgefühl ist bedroht

Stets zu bekommen, was man gerade braucht - Klopapier und Kaugummis, Rhabarberschorle und Radler, die Plauderstunde - das darf nicht vergehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ann-Kathrin Hipp

Während sich Berlin wandelt, der Kiez gentrifiziert, die Nachbarschaft diverser und die gefühlte Freiheit immer ein bisschen kleiner wird, gab es zumindest eine Konstante, auf die man sich stets verlassen konnte: den Späti ums Eck. Immer da, rund um die Uhr. Schnell mal rüber, wenn was fehlt.

Die Möglichkeit, an jedem Tag, zu jeder Zeit, all das zu bekommen, was man gerade braucht, Klopapier und Kaugummis, Rhabarberschorle und Radler, die Möglichkeit zu plaudern, zu trinken, zu sitzen, die Oma mit der Konzernchefin, der Bauarbeiter mit dem Hipster und alle zusammen mit dem Spätimann – all das war Berlin. All das soll Berlin gewesen sein.

Am Mittwoch hat das Verwaltungsgericht in einem Urteil klargestellt, dass Berlins geliebte Läden sonntags geschlossen bleiben müssen. Die Spätverkaufsstellen seien nicht auf den spezifischen Bedarf von Touristen ausgerichtet. Das heißt: keine Ausnahme vom Berliner Ladenöffnungsgesetz.

Man kann das so hinnehmen. Erst kürzlich hat der Bezirksbürgermeister von Mitte lakonisch bemerkt, die Stadt werde es schon überleben. Natürlich hat er recht. Die Spätis verlieren zwar ihren umsatzstärksten Tag. Und Frau fährt am Sonntag zehn Minuten länger zum geöffneten Supermarkt in der Friedrichstraße. Aber das war’s. Überlebt.

Was darüber hinaus jedoch auf der Strecke bleibt, ist das Lebensgefühl. Verloren geht ein Berliner Ort, an dem jeder immer sein konnte, wie er will und an dem alle waren, egal wer sie sind. Ein Ort, der immer geblieben ist – auch an einem Sonntag in Berlin.

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