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Denisa (Iulia Lumânare) und Lidia (Corina Moise) arbeiten auf dem Strich.

© Grandfilm

Sozialstudie „Vânâtoare“: Tauben zum Mittagessen

Alexandra Balteanus Spielfilmdebüt „Vânâtoare“ beobachtet drei Prostituierte auf dem Straßenstrich in Bukarest.

Sie leben am Rand der Gesellschaft. Am Rand von Europa. Eine Autobahnbrücke in Bukarest ist ihr Arbeitsplatz. Jeden Tag kommen Lidia, Denisa und Vanesa hierher, staksen mit ihren hohen Schuhen durch den Dreck, warten zwischen den vorbeirauschenden Autos auf Kundschaft. Nicht mal 15 Euro kostet der Sex mit ihnen. Einen Tag in ihrem Leben zeigt Alexandra Balteanus Spielfilmdebüt „Vânâtoare“, das beim diesjährigen Max Ophüls Festival den Regiepreis gewann.

Graue Winterbilder, lange Sequenzen: Gedreht mit unaufdringlicher Handkamera, entfaltet der Film eine quasi-dokumentarische Anmutung. Dazu trägt sicher auch bei, dass Balteanu ausführlich in der Sexarbeiterinnenszene der Bukarester Peripherie recherchiert hat. Ihr fast ohne dramaturgischen Bogen auskommendes Werk lebt von diesem hohen Glaubwürdigkeitsfaktor. Beiläufig zeigt sie, wie sich die Frauen umziehen und sich ein Stück Stadtraum zu eigen machen. Und wenn die junge Vanesa (Iulia Ciochina) ein mäanderndes, latent aggressives Gespräch mit einem Typen führt, der sich für eine wichtige Nummer hält, wirkt das wie eine Direktübertragung aus dem Milieu – die Szene könnte überall in Europa spielen.

Die Polizei macht den Frauen Ärger

Stress hat Vanesa auch mit Lidia (Corina Moise), die sie als unliebsame Konkurrentin empfindet und ihr einmal mittels Dumpingpreis sogar einen Freier wegschnappt. Lidia hat zwei Kinder, für die sie manchmal eine ihrer Tauben zum Mittagessen brät – sie braucht das Geld vom Strich dringend. Genau wie ihre Freundin Denisa (Iulia Lumânare), mit der sie zusammen Pause macht und sich über ihre Probleme unterhält. Davon haben alle drei Frauen mehr als genug.

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Doch trotz ihrer existenziellen Not beklagen sie sich nie und lassen sich nicht hängen. Sie sind Frauen der Tat, mit bewundernswerter Zähheit und Anpassungsfähigkeit. So kann man den Filmtitel, der übersetzt „Jagd“ bedeutet, einerseits auf die Prostituierten als Handelnde beziehen. Anderseits sind sie natürlich auch Gejagte: Was sie tun, ist illegal, auch Freiern gegenüber ist ihre Position höchst fragil. Als eine Polizeipatrouille auftaucht, wird ihre Angreifbarkeit schlagartig klar.

Alexandra Balteanu, die 1982 in Rumänien geboren wurde und seit 2003 in Deutschland lebt, widmet fast das komplette letzte Filmdrittel dieser langsam immer perfider werdenden Begegnung. Paradoxerweise kehrt hier auch zum ersten Mal Ruhe ein, denn der Verkehrslärm dringt nicht in den Polizeibus. Es sieht schlecht aus für Lidia, Denisa und Vanesa, doch eins ist klar: So sehr sie hier auch erniedrigt werden, früher oder später stehen sie wieder zwischen den Pfeilern der Brücke.

OmU: Acud, Brotfabrik, fsk

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