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Guarani-Namen für Pflanzen im Großen Tropenhaus.

© Dorothee Nolte

Sound Installation: Wenn Humboldt das hören könnte

Wie zwei Künstlerinnen den Botanischen Garten dekolonialisieren: mit Klängen und Namen.

Es summt, es seufzt, es wispert, es weht, es klackert und trommelt, es zwitschert und zirpt. Und es spricht, und es singt! Wer will uns hier etwas sagen, hier, im Großen Tropenhaus des Botanischen Gartens? Sind es die Pflanzen selbst?

Welche Klänge warten auf mich?

Versonnen wandern die Besucher mit großen Kopfhörern durch die Palmen und Lianen, stoppen hier, setzen sich dort, lauschen: Urwaldgeräusche dringen an ihre Ohren, aber auch elektronische Klänge, Tierstimmen, Rhythmen, Lieder – und Sätze, gesprochen in Sprachen, die wohl keiner der Anwesenden versteht. Ein faszinierendes Hörerlebnis bietet die Klanginstallation der Künstlerin Maria Thereza Alves und der Komponistin Lucrecia Dalt mit dem Titel „Natur nach Humboldt“. Die Natur, im Tropenhaus sonst stumm, scheint zu sprechen und versetzt Besucherinnen und Besucher in eine träumerisch forschende Stimmung: Welche Klänge warten auf mich hinter der nächsten Wegbiegung? Anders als bei Audioguides reagiert der Kopfhörer dank Sensor auf die Bewegungen seines Trägers im Raum.

Du wirst eines Tages fortgehen, aber ich nicht

Forscher wie Alexander von Humboldt haben die tropischen Pflanzen beschrieben, getrocknet, in Herbarien geklebt, nach Europa geschickt. Nach ihnen, also zumeist europäischen Botanikern sind viele Pflanzen benannt – etwa die „Nymphoides humboldtiana“, Humboldts Seekanne. Aber auch die Menschen, die in den Tropen leben, haben Namen für die Pflanzen, und oft sind sie weitaus schöner. Humboldts Seekanne etwa heißt auf auf Guaraní „Yvoti mboporã ponhúrega“, übersetzt: „fünfblättrige Blume des Geistes der Felder und Wälder: Du wirst eines Tages fortgehen, aber ich nicht“.

Für kurze Zeit verzaubert

Die beiden Künstlerinnen haben nach den indigenen Namen für die Pflanzen gesucht – Maria Thereza Alves arbeitet seit Jahrzehnten mit den Guaraní in Brasilien und hat sie gebeten, „den Botanischen Garten zu dekolonialisieren“. Eine Reihe von Pflanzen sind deswegen während der Installation nicht nur mit den üblichen lateinischen Namensschildern versehen, sondern tragen auf roten Schildchen auch ihre indigenen Namen. Yvoti pere poty jehexa nga'u: „Blume, die alle Männer, Frauen und Kinder verzaubert“, so nennen die Guaraní die Pflanze, die auf Latein Aechmea gracilis heißt. Und für kurze Zeit verzaubert sind auch die Besucher im Tropenhaus.

Botanischer Garten, Unter den Eichen 9-10, bis 16. Februar; Mo bis Do 14 – 19 Uhr, Fr bis So ab 11 Uhr.

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