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Der Deutschen liebstes Gepäckstück: Der Trekkingrucksack.

© Patrick Pleul / dpa

Sommerserie Über-Gepäck: Warum der Trekkingrucksack ein egoistisches Gepäckstück ist

Unförmig und quietschbunt: Der Trekkingrucksack ist nicht schön, dafür maximal praktisch. Einige Regeln müssen allerdings beachtet werden. Eine Kolumne.

Endlich ist Reisen wieder möglich. Koffer, Taschen und Beutel werden gepackt. In unserer Kolumnen-Serie geht es um unsere liebsten Gepäckstücke. Bisher erschienen: Rollkoffer-Scham

Gibt es etwas Deutscheres als den Trekkingrucksack? Riesengroß, unförmig und quietschbunt ist er alles anderes als ästhetisch, dafür aber maximal praktisch, was den Bekleidungsstil der meisten deutschen Touristen ganz gut zusammenfasst. Was nicht reinpasst, kann mit einer der Schnüre oder Gurte befestigt werden, von denen gefühlt hunderte an jedem Exemplar hängen.

Die Wanderstiefel etwa, die baumelnd ihr volles Aroma entfalten und andere Passagiere im Zug oder Bus beglücken, nachdem man ihnen auf dem Weg durch enge Gänge die Iso-Matte um die Ohren gehauen hat, die außen quer am Rucksack klebt. Der Trekkingrucksack ist ein egoistisches Gepäckstück und auch das ist ziemlich deutsch, man denke nur an das Handtuch und die Liegen.

Nicht alle Sorgen sind von Rationalität geprägt

Als Teenager hätte ich mir nichts Peinlicheres vorstellen können, als im Urlaub als Deutsche identifiziert zu werden, der Rucksack war deshalb ein No-Go. (Zugegeben, auf ihren Interrail-, Australien- oder anderen Selbstfindungstrips tragen junge, privilegierte Menschen aus allen Nationen diese Teile. Ich behaupte nicht, dass alle meine Teenager-Sorgen von Rationalität geprägt waren.)

Statt neonfarbener Funktionsjacken, ein weiteres Erkennungszeichen, trug ich hauptsächlich schwarz, außerdem Chucks statt Wanderschuhen, den Blasen zum Trotz. Dazu eine riesige schwarze Umhängetasche, die mir regelmäßig fast die Schulter auskugelte, alternativ ein eklektisches Sortiment an Jutebeuteln und Plastiktüten. Später stieg ich auf Rollkoffer um, denn die waren so Normcore, dass sie schon wieder cool waren, sagte ich mir, außerdem musste ich meine geplagte Schulter schonen.

Ungemütlich, unpraktisch, dafür aber Vintage

Als ich mit Mitte 20 nach einem Praktikum in Quito drei Monate durch Ecuador und Kolumbien reisen wollte, musste ich mich meiner Phobie zum ersten Mal stellen. Ich kaufte meinem Mitbewohner in Quito seinen alten Rucksack für zehn Dollar ab. Das war ein guter Kompromiss, denn der saß zwar auf den Schultern, hatte sonst aber so gar nichts gemein mit herkömmlichen Rucksäcken.

Er hatte metallene Stangen, an denen zwei dunkelgrüne Stoffteile befestigt waren. Richtig gemütlich war das nicht und es passte auch nicht sonderlich viel hinein, war aber ein Vintage-Hingucker. Die drei Monate kam ich damit gut über die Runden, danach verschenkte ich das Ding.

Einige Prinzipien gelten bis heute

Je älter ich wurde, desto mehr lernte ich Qualitäten wie Komfort und Praktikabilität schätzen. Mein Bedürfnis, als cool wahrgenommen zu werden, sank proportional dazu. Mit Ende 20 gab ich nach. Eine längere Reise stand an, ich würde mich ständig fortbewegen, durch Urwälder wandern. Also schulterte ich bei einem Outdoorausstatter in Steglitz unter der Aufsicht eines hochmotivierten Verkäufers solange künstlich beladene Rucksäcke, bis meine Schultern sich nach den alten Umhängetaschen-Zeiten fühlten.

Ich entschied mich für ein leuchtend rotes Modell – wenn schon, denn schon – and I never looked back. Einige Prinzipien habe ich mir allerdings bis heute bewahrt: Meine Wanderschuhe verstaue ich im Inneren des liebgewonnenen Ungetüms, die Iso-Matte wird längs befestigt. Auch wenn ich meine Angst vorm Uncoolsein inzwischen abgelegt habe, gibt es immer noch Sachen, die ich uncool finde. Egoismus gehört dazu.

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