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Sade Adu wurde 1959 in Nigeria geboren und lebt seit 1963 in England. Dass sie 52 Jahre alt sein muss, sieht man ihr nicht an. Auch ihr Souljazz hat sich kaum verändert.

© dapd

Soldatin der Liebe: Phänomenal: Sade in der Berliner O2-World

Bei ihrem ersten Berlin-Konzert seit 18 Jahren begeisterte die Britin in der O2-World. Ihr melancholischer Pop-Soul hat sich im Laufe der Zeit nur minimal verändert.

Eine schwarze Katze huscht über die Straße. Es ist Nacht in der großen Stadt. Neonschilder leuchten, im ersten Stock steht eine Frau im gelb schimmernden Licht, eine Bahn rattert über die Stelzentrasse. Irgendwas braut sich hier zusammen. Was führt der Typ mit dem Saxofon im Schilde? Und wem gibt die Lady am Fenster ein unauffälliges Signal?

Wir werden es nicht erfahren, denn dieser comicbunte Thriller-Anfang flimmert nur so lange über die Leinwand, bis sich die echten Gangster umgezogen haben. In perfekt sitzenden grauen Anzügen erscheinen sie zurück am Tatort. Der Mann mit dem Saxofon bläst zum Angriff: „Smooth Operator“ – Sades erster Riesenhit aus dem Jahr 1984. Ein kleiner Glücksschrei geht durch die ausverkaufte Arena am Berliner Ostbahnhof. Der Song mit dem lässigen Bossa-Groove zündet natürlich sofort.

Sade steht ganz vorn, trägt eine schwarze Weste über dem weißen Hemd und gleitet mit ihrer grandiosen Alt-Stimme durch das Lied. Als Paul Denman sein Bass-Solo spielt, geht sie vor ihm in die Knie. Das wirkt keineswegs überzogen, sondern wie eine tief empfundene Ehrerbietung. Genau wie er ist auch Multi-Instrumentalist Stuart Matthewman, der auf der anderen Bühnenseite steht, seit der Gründung bei Sade. Er tritt in der ersten Hälfte des zweistündigen Konzerts immer wieder mit Tenor-Saxofon-Soli ins kegelförmige Scheinwerferlicht. Damit bringt er einen hübschen Achtziger-Jahre-Touch in den Sound, kann aber auch für Jazz-Club-Atmosphäre sorgen wie etwa bei „Jezebel“. Für das Stück vom zweiten Album „Promise“ rückt die Band kreisförmig zusammen. Denman spielt einen Kontrabass, und Sade sitzt auf der Bühnenkante. Sie steigert ihren Gesang nach und nach in eine vibrierende Leidenschaftlichkeit hinein. Und im Finale kontert sie die letzte Note des Saxofon-Solos mit dem gleichen Ton – phänomenal.

Zum Glück ist die Stimme der 52-jährigen Sängerin nun auch richtig zu hören. Während der ersten drei Stücke hatte die Mischung nicht hingehauen. Bei „Your Love Is King“ knisterte und knarzte es in den Boxen. Das ist schnell behoben, doch der Sound bleibt – wie immer in der O2 World – einfach zu leise. Dafür funktioniert das optische Spektakel: Stoffbahnen fallen, Tücher schweben, Papierschnipsel schneien. Gelegentlich ist die Bühne komplett von semi-transparenten Vorhängen eingehüllt, auf die Videos projiziert werden. Sade, verschwunden hinter Tüchern und hell angestrahlt, ist in einer Art Doppelbelichtungseffekt immer noch zu sehen. Dabei kann es dann auch mal kitschig werden, wenn sie zur dramatischen Pianoballade „Morning Bird“ in grauen Wolken steht und plötzlich eine zweite Riesen-Sade mit wehendem Haar und wehendem Kleid auftaucht.

Es ist Sades erstes Berlin-Konzert seit 18 Jahren. Eine lange Zeit – wie sie bei der Begrüßung zugibt. Doch die elegante Britin, die selten Interviews gibt und zurückgezogen auf dem Land lebt, lässt sich einfach nicht hetzen. In 26 Jahren hat sie nur sechs Studioalben aufgenommen, die sich allerdings rund 55 Millionen Mal verkauften. Zwischen „Lovers Rock“ und dem letzten, 2010 erschienenen, „Soldier of Love“ lagen sogar zehn Jahre. Ihr melancholischer Pop-Soul hat sich im Laufe der Zeit nur minimal verändert. So spielen programmierte Beats heute eine größere Rolle, jazzige Elemente sind hingegen weniger geworden.

Im Konzert hält sich ihre hervorragende achtköpfige Band relativ nah an die Album-Versionen der Stücke, baut aber immer wieder tolle Variationen ein. „No Ordinary Love“ präsentiert sie deutlich rockiger als das Original und bei der funky Version von „Paradise“ klauen zwei E-Gitarren dem Bass die Hauptrolle. Das ist alles sehr clever und kurzweilig gemacht. Sade findet nebenbei noch Zeit sich drei Mal umzuziehen. Bei der Zugabe trägt sie ein knallrotes, bodenlanges Kleid und fährt zu den Klängen von „Cherish The Day“, einem Song vom 1992er Album „Love Deluxe“, auf einem kleinen Podest vier Meter hoch in die vor ihr projizierte New Yorker Skyline hinauf. Und auch ihre Fans schweben auf dem Weg nach Hause ein paar Zentimeter über dem Boden.

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