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My Kiosk, my castle. Lucas Gregorowic als Heimkehrer Stefan (r.) mit Elfriede Fey und Nicholas Bodeux.

© X-Verleih

Sönke Wortmanns Heimatfilm „Sommerfest“: Ruhrpott, mon amour

Regional-Hommage: Sönke Wortmanns „Sommerfest“ über das Gefühl befremdlicher Vertrautheit, das die Rückkehr an den Ort seiner Kindheit auslösen kann.

Verführung ist ein Begriff, den man vielleicht nicht zwingend mit dem Ruhrgebiet in Verbindung bringt. Dennoch geht es in Sönke Wortmanns „Sommerfest“ genau darum: um die eigenwillige Sexyness einer Region, die als Industriestandort schon mehrfach abgewickelt wurde, aber – so die Quintessenz dieses etwas anderen Heimatfilms – über großes zwischenmenschliches Kapital verfügt. In Schillerscher „Räuber“-Kostümierung schickt Wortmann den Schauspieler Stefan (Lucas Gregorowicz) direkt von der Bühne des Münchner Residenztheaters nach Bochum, als ihn die Nachricht vom Tod des Vaters erreicht. Im elterlichen Zechenarbeiter-Häuschen ist die Zeit stehen geblieben: Der Stuhl, von dem der alte Mann gekippt ist, liegt noch auf dem Küchenboden, im Jugendzimmer hängen Konzertplakate aus den Achtzigern, und das geflieste Bad erstrahlt in Umbra-Tönen, die vor langer Zeit einmal modern waren.

Drei, vier Tage gibt Stefan sich, um die Bestattungsangelegenheiten zu erledigen. Eine erzwungene Auszeit am Ort seiner Herkunft für den kriselnden Künstler, dessen Vertrag am Theater nicht verlängert wurde. „Muss man dich kennen?“, wird er immer wieder gefragt, wenn die Rede auf seinen Beruf kommt. Muss man nicht, und der Rückkehrer wird umstandslos wieder ins Nachbarschafts- und Freundschaftsgefüge aufgenommen.

Lakonischer Blick und mäandernde Erzählweise

Mit „Sommerfest“ lotet Wortmann jenes Gefühl befremdlicher Vertrautheit aus, das einen überkommt, wenn man nach Jahren an den Ort seiner Kindheit zurückkehrt. Wortmann ist selbst im Pott aufgewachsen, der Vater war Bergmann. Auch wenn es sich um eine Adaption des Romans von Frank Goosen handelt, spürt man, dass der Filmemacher genau kennt, wovon er erzählt. Mit lakonischem Blick und sanft mäandernder Erzählweise nähert sich der Film der Region an, die zwischen Zechen-Museen und zerfallenden Arbeitersiedlungen auf einen zweiten Strukturwandel hofft. Aber Wortmann ergibt sich an keiner Stelle der Larmoyanz des Zerfalls, sondern zeigt die Qualitäten dieses ungewöhnlich gewöhnlichen Orts, an dem die Menschen Kraftausdrücke wie Liebeserklärungen verwenden und eine kommunikative Zugänglichkeit kultiviert haben, die bundesweit wahrlich keine Selbstverständlichkeit ist.

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„Sommerfest“ setzt sich aus Alltäglichkeiten zusammen, aus Erlebnisminiaturen, die sich zum Mosaik über den Gefühlszustand des kriselnden Protagonisten und seine ihn umgarnende Heimat fügen. Und dann kreuzt auch noch Charly (Anna Bederke) auf, eine Stunde lang wird immer wieder über sie geredet, bis die Jugendliebe plötzlich aus dem Nichts am Tresen auftaucht. Natürlich ist diese Charly von schnörkellos patentem Wesen – wie das Ruhrgebiet selbst, dem die ganze Liebe dieser bekennenden Regional-Hommage gehört.

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