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Große Stimme. Emma Czerny tritt als Magic Island auf.

© Kurt Heuvens

„So Wrong“ von Magic Island: Der Zauber des Spagats

Magic Island ist die rechtmäßige Thronfolgerin im Berliner Pop-Underground. Nun hat sie ihr zweites Album „So Wrong“ veröffentlicht.

Eine „Zauberinsel“ taucht in Berlin gleich drei Mal auf. Einmal als „Gesellschaft für kindliche Sprachförderung und ästhetische Bildung“ in Mariendorf, dann als Kindertagesstätte in Lichtenberg und als Name eines mittlerweile geschlossenen Pubs auf der Sonnenallee. Letzterer war lange Jahre das zweite Zuhause für Emma Czerny. Als die platinblonde Wahlberlinerin mit kanadischen Wurzeln und Hang zu exzentrischen Outfits einen Namen für ihr Musikprojekt suchte, fiel die Entscheidung konsequent auf Magic Island.

Die Zeiten, in denen Berlin eine popkulturelle Zauberinsel war, sind lange passé. In Neukölln aber wuchs in den vergangenen Jahren eine Community, die nicht nur Bühnen und Proberäume teilt, sondern auch einen neuen Entwurf von Pop-Ästhetik. Das Arte-Magazin „Tracks“ attestierte dem Stadtteil gar die „vitalste Untergrundszene Westberlins seit den achtziger Jahren“. Da ist Better Person aus Polen, DENA aus Bulgarien, Discovery Zone aus New York – und eben Magic Island. Ihre ersten Lieder bewegten sich im Dream Pop, ätherische Schlafzimmer-LoFi-Klänge über denen Czernys grandiose Stimme schwebte. Mit Songs wie „Easy Babe“ oder „Like Water“ landete sie kleine Hits, tourte durch Nordamerika, Asien und den Nahen Osten.

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Nun hat die rechtmäßige Thronfolgerin des Berliner Undergrounds ihr zweites Album „So Wrong“ (erscheint bei „Mansions and Millions“) veröffentlicht. Und weil sich Neukölln tagtäglich wandelt, hat sich auch Magic Island in ein neues Kleid gehüllt. Dazu entkorkte sie eine jahrzehntealte Flaschenpost der eigenen Musiksozialisation: Ihr Vater besaß eine große Sammlung von Motown-Platten. Als Czerny mit 13 das Album „Purple Haze“ des Rappers Cam’ron hörte, gefielen ihr die souligen Gesang-Samples in den Refrains. Die Liebe zu eingängigen Hooks war entflammt.

Wegweiserin durch den Sumpf des Herzschmerzes

„Ich begann, mich mehr und mehr mit der deutschen Rap-Szene zu beschäftigen“, erzählt sie nun, „und ich dachte, vielleicht brauche ich jemanden, der gut darin ist, kranke Beats zu produzieren.“ So tat sie sich mit dem Produzenten Phong zusammen. Im ersten Lockdown des Frühjahrs 2020 skizzierten sie die Grundzüge von „So Wrong“. Wie gut ihre Stimme und die wabernden Beats ineinandergreifen, offenbart der titelgebende Song. Im elektronischen Nebel ist Czerny eine trostspendende Wegweiserin durch den Sumpf des Herzschmerzes.

In „All or Nothing“ erinnert ihr beeindruckender Stimmumfang an zeitgenössische Ausnahmesängerinnen wie Austra. Ein beseelteres Timbre dürfte man in der Berliner DIY-Szene vergeblich suchen. Ihr vielschichtiges Organ harmoniert auf dem Album gar mit düsteren Trapbeats wie in „Bury Me Alive“.

„So Wrong“ ist eine Verneigung vor den Soulstimmen der Sechziger und Siebziger, dem Synthie-Pop der Achtziger. Da sind viel Sympathie für R’n’B der Neunziger und keine Berührungsängste vor dem Mainstream des neuen Jahrtausends spürbar. Ein beglückender Spagat zwischen der großen Welt und dem dörflichen Neukölln, der entmutigenden Weltlage und der Geborgenheit des Kiezes. Da das Album derzeit nicht betourt werden kann, lud Magic Island am vergangenen Freitag zu einem Spaziergang. Mittels QR-Codes an Neuköllner Häuserwänden gab sie Einblicke in ihr Habitat. 16 Multimedia-Künstler:innen steuerten Kunstwerke bei, ließen sich dafür von Songs des Albums inspirieren.

Diese Ausnahmekünstlerin wieder im Bühnennebel stehen zu sehen - allein das sollte eine Belohnung für die langen Monate des isolierten Ausharrens sein. Und wenn wir noch einige Zeit an unseren persönlichen Robinsonaden schreiben müssen, dann doch wenigstens auf dem zauberhaften Atoll von Magic Island.

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