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Zum Rekordpreis versteigert: der "Rabbit" von Jeff Koons.

© AFP

So war das Kunstmarktjahr 2019: Große Sprünge

Hasen, Bananen, Street-Art: Was dem Kunstmarkt dieses Jahr lieb und teuer war.

Alles Banane, oder? Das Messejahr endete Anfang Dezember auf der Art Basel Miami Beach mit einem überteuerten Scherzartikel des italienischen Künstlers Maurizio Catellan. Mit ihm bewies der Kunstmarkt zugleich seine Stabilität als Investmentmarkt für Werke sogenannter Blue-Chip-Künstler mit berühmten Namen. Dies gilt ebenso für die weltweiten Auktionen.

Innerhalb der letzten zehn Jahre haben die Auktionshäuser ihren Gesamtumsatz auf knapp 1,9 Milliarden Dollar verdoppelt. Rekordpreise wie die 450 Millionen Dollar, die der saudi-arabische Kronprinz 2017 bei Christie’s für das angeblich von Leonardo da Vinci stammende Gemälde „Salvator Mundi“ zahlte, wurden in dieser Saison zwar nicht mehr erreicht, doch der Appetit der Milliardäre und Millionäre auf Trophäen ist ungebremst. Dieser Boom wird weiter anhalten. Denn Kunst wurde in der zu Ende gehenden Dekade zu einer globalen Wertanlage.

Die Milliardäre bleiben hungrig

Die höchsten Auktionserlöse teilten sich 2019 Künstler der klassischen Moderne mit Zeitgenossen. Teuerstes Werk war Claude Monets Gemälde eines Heuschobers, „Meules“, das Sotheby’s im Mai für rund 100,59 Millionen Euro versteigerte. Auf dem zweiten Platz landete eine „Rabbit“-Skulptur von Jeff Koons, die es ebenfalls im Frühjahr bei Christie’s auf etwa 81 Millionen Euro brachte. Koons ist damit ein weiteres Mal nach 2013, als sein „Balloon Dog“ 52,7 Millionen Euro brachte, der teuerste Gegenwartskünstler.

Auch auf der Messe in Miami gab es Top-Ergebnisse; gemeldet wurden sie erwartungsgemäß von Mega-Galerien. So verkaufte Thaddaeus Ropac die Skulptur „Sing Sang Zero“ von Georg Baselitz für 3,8 Millionen Dollar, Hauser & Wirth die monumentale Wandarbeit „Untitled (Silver Tapestry)“ des afroamerikanischen Künstlers David Hammons für 2,4 Millionen Dollar und David Zwirner ein Gemälde der Britin Bridget Riley für 1,5 Millionen Dollar.

Südfrucht auf Galeriewand

Doch vor allem gab es dort Maurizio Catellan und den Bananen-Hype. Kaum hatte der Starkünstler, bekannt für seinen visuellen Sarkasmus, die krumme, von Künstlern seit Giorgio de Chirico immer wieder satirisch inszenierte Südfrucht mit Panzertape an die Wand der Galerie von Emanuel Perrotin geklebt und sie mit dem überdeutlichen Titel „Comedian“ versehen, da rastete die selfie-süchtige Kunstgemeinde wie von Cattelan kalkuliert aus: Horden von Besuchern fotografierten sich und das Readymade so lange, bis es sein Galerist entfernen ließ. Zuvor hatte er zwei Exemplare der Edition à 120 000 und das letzte für 150 000 Dollar verkauft. Catellans Coup nach dem Muster von Marcel Duchamps industriell hergestelltem Flaschentrockner, den dieser 1914 in eine Ausstellung schleuste, feierte seinen durchschlagenden Erfolg dank Instagram.

Instagramability ist ein nicht zu unterschätzender Faktor für die Produktion von Kunst geworden. Je monumentaler, glitzernder, spiegelnder, cartoonesker ein Werk, desto besser verkauft es sich auf dem Markt. Nicht zuletzt damit hängt der rasante Erfolg des ehemaligen Street-Art-Künstlers Kaws alias Brian Donnelly zusammen, dem 2,6 Millionen Fans online folgen und dessen Gemälde „The Kaws Album“ bei Sotheby’s in Hongkong im April mit 14,8 Millionen Dollar das 14-fache seines Schätzwerts brachte. Ebenso sind Jeppe Heins Spiegelobjekte mit Sinnsprüchen wie „Follow your dreams“, Olafur Eliassons Kaleidoskope aus Spiegelglas und Aluminium oder die spiegelnd konkaven Edelstahlskulpturen von Anish Kapoor Instagram-Renner, auch wenn sie ursprünglich nicht für das Medium entworfen wurden. Ungeschlagen omnipräsent auf der Plattform bleiben die „Infinity Mirror Rooms“ der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama, die die inzwischen 90-Jährige seit 1965 entwirft. Sie markieren einen Trend hin zu immersiven Rauminstallationen, wie sie ähnlich auch das japanische Kollektiv TeamLab konstruiert. Voraussetzung hierfür sind avantgardistische Technologien.

Blockchain verändert den Markt

Eine davon ist Blockchain, die Technologie hinter Kryptowährungen wie Bitcoin. Sie werde bald auch den Kunstmarkt verändern, Transaktionen sicherer und transparenter machen, prophezeit der russische Investor Dmitry Aksenov. Aksenov ist seit 2012 Eigentümer der Wiener Messe Viennacontemporary mit einem Schwerpunkt auf osteuropäischer Kunst. Damit behauptet sich die regionale Plattform erfolgreich gegenüber den globalen Messen. Genau wie die Abu Dhabi Art, die Ende November stattfindet und mit knapp 50 Galerien noch einmal deutlich weniger Teilnehmer hat, setzt die Viennacontemporary auf lokale Kompetenz und verbindet sie mit von Experten kuratierten, internationalen Spezialpräsentationen. „Für den Nahen Osten und Südasien ist die Abu Dhabi Art der wichtigste kulturelle Treffpunkt des Jahres“, betont Direktorin Dyala Nusseibeh.

Aksenov treibt mit seinem Unternehmen RDI Group die Digitalisierung von Kunst und Markt nicht zuletzt voran, um „Künstlern eine bessere Kontrolle ihrer Ideen und digitalen Inhalte zu ermöglichen“. Als Besitzer einer Messe folgt er einem Trend zur Privatisierung von Kunstmarktplätzen, wie er auch bei Auktionshäusern zu beobachten ist. Nach Christie’s, das dem Luxusmoden-Tycoon und Supersammler Francois Pinault gehört, und Phillips, das sich in den Händen der Mercury-Gruppe befindet, eines Mode- und Immobilienkonglomerats, wurde im Sommer auch Sotheby’s privatisiert: 3,7 Milliarden zahlte der französisch-israelische Telekom-Mogul Patrick Drahi für die Übernahme des Konzerns.

Das Gefälle zwischen den Händlern steigt

Das Gefälle zwischen wenigen, sehr vermögenden Big Playern und vielen, eher unterkapitalisierten Versteigerern und Händlern bleibt das neuralgische Thema des Markts. Auch der Galeriebetrieb spiegelt dieses Phänomen: Während etwa die großen Galerien, zu denen auch Pace und Gagosian zählen, immer weiter mit Standorten und musealen Neubauten expandieren, sich einen Nachlass nach dem anderen einverleiben und Bücher und Zeitschriften in eigenen Verlagen publizieren, denken die kleinen vermehrt über Schließung nach. Hier eine Lösung durch neue Modelle der Umverteilung zu finden, ist im existenziellen Interesse der so viel beschworenen Diversität des Betriebs.

Schlagwort Diversität: Künstlerinnen finden ebenso wie afroamerikanische und afrikanische Künstler zunehmend die ihnen gebührende Aufmerksamkeit. Für Stars wie Mark Bradford oder Kerry James Marshall zahlen Sammler heute Höchstpreise im ein- und zweistelligen Millionenbereich. Jüngster Rekord für das Werk einer Künstlerin waren 11,7 Millionen Dollar für Lee Krasners Bild „The Eye Is the First Circle“ (1960).

Das Jahr blieb nicht ohne Skandale. In Berlin wurde der Kunsthändler Michael S. wegen Betrugs verhaftet, in London, New York und Miami beschuldigt man den jungen Händler Inigo Philbrick, identische Werke, darunter von Jean Michel Basquiat und Rudolf Stingel, mehrfach verkauft zu haben. Je härter die Konkurrenz, desto skrupelloser die Methoden.

Künstler werden zu Aktivisten

Zum Glück gibt es eine wachsende Bewegung künstlerischer Aktivisten. Sie gründen Stiftungen wie Wolfgang Tillmans und Olafur Eliasson, mit denen sie für Demokratie und Humanismus kämpfen, visualisieren wie Julian Charrière die irrwitzige Trennung von Kultur und Natur oder erinnern wie Ai Weiwei mit Abformungen der gigantischen Wurzeln des brasilianischen Pequi Vinagreiro-Baums an die katastrophalen Brände im Amazonas-Regenwald. Die größten von Ais ebenso berührenden wie bedeutenden Arbeiten kosten knapp über eine Million Euro und liegen damit weit unter jenen des zwei Jahre älteren Koons. Hier muss der Markt dazulernen. Denn die Relevanz dieser Werke ist eine elementare: Wenn die Welt ihre Wurzeln verliert, verliert sie alles.

Eva Karcher

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