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Rundling. Das geplante Svart Hotel in Svartisen, Norwegen.

© Snøhetta/Plompmozes

Snøhetta bei Aedes: Lob der Landschaft

Das Aedes Architekturforum zeigt Entwürfe des norwegischen Büros Snøhetta.

Es scheint noch gar nicht so lange her, da hat das norwegische Büro Snøhetta als Newcomer den Wettbewerb für die Bibliothek in Alexandria gewonnen, später das Opernhaus im heimischen Oslo errichtet, und jetzt sind sie mit der Novität eines Unterwasserrestaurants in allen Designzeitschriften.

Tatsächlich ist die Bibliothek auf historischem Boden knapp zwanzig Jahre alt und das Opernhaus mehr als zehn. Es sind, wie man heute sagt, „ikonische“ Bauwerke, die sich ins visuelle Gedächtnis eingeprägt haben – ohne dass man notwendigerweise die Entwerfer zu benennen weiß.

Denn so makellos der internationale Erfolg von Snøhetta auch strahlt: Sie sind keine signature architects, deren Entwürfe man immer sogleich als die ihren erkennt. Im Gegenteil; es ist die Philosophie des mittlerweile 260 Mitarbeiter an fünf Standorten umfassenden Büros, gerade kein vorgefasstes Designkonzept durchzuziehen, sondern sich auf jede Situation neu einzulassen.

Und nicht nur Architekten zu sein, sondern zugleich Landschaftsgestalter, Designer, Energie- und Umweltingenieure. Das ist nicht nur in ihrer norwegischen Heimat beinahe schon unabdingbar. Öffentliche Projekte – und die Mehrzahl von Snøhettas Arbeiten ist öffentlicher Natur – müssen heutzutage strengen Maßstäben an Umweltfreundlichkeit genügen.

Das leisten die neuesten Entwürfe des Büros gerade auf einem derzeit in heftige Turbulenzen geratenen Gebiet: dem Tourismus. Einige, teils ausgeführt, teils noch im Wartestand, sind jetzt im Aedes Architekturforum zu sehen, wo Snøhetta zugleich den Preis der Zeitschrift „Architektur und Wohnen“ als Büro des Jahres entgegennahm. Snøhetta zeigt sich als Meister im Umgang mit „szenischer“ Landschaft.

Bewusste Wahrnehmung der Bergwelt

Im hohen Norden Norwegens errichten sie ein Hotel in Ringform, auf hölzernen Stützen unmittelbar vor einer Gletscherzunge stehend. Es soll als Plusenergiehaus funktionieren, im Laufe seiner Lebenszeit also mehr Energie erzeugen, als zu seiner Herstellung und zum Betrieb erforderlich geworden sein wird.

In Spitzbergen, noch ein gutes Stück weiter nördlich, hat das Büro ein Ausstellungsgebäude in Gestalt eines konisch verjüngten Zylinders in Planung. Dort oben wird bei stabilem Kühlschrankklima ein „globaler Pflanzensamenspeicher“ unterhalten. Keine Frage, es gibt Zeitgenossen, die genau deswegen an den Polarkreis reisen.

[Aedes Architecture Forum, Christinenstr. 18-19 (am Pfefferberg), bis 20. August. Katalog 10 €. Infos www.aedes-arc.de]

In Innsbruck – einem der Filialstandorte des Büros – haben sie an den Berghängen im Umkreis der spektakulären Nordkettenbahn einen „Perspektivenweg“ geschaffen, der mit einfachen Mitteln – einem stählernen Ausguck, einigen hölzernen Ruheplätzen – zur bewussten Wahrnehmung der Bergwelt einlädt.

Alle Bauten und Entwürfe fügen sich nahtlos ein

Die wie immer eindrucksvoll gestaltete Ausstellung bei Aedes unter dem Titel „Arctic Nordic Alpine“ ist selbst ein Beispiel für Snøhettas umfassenden Designansatz. Landschaftsmodelle, computergesteuert aus Schichtholz gefräst, hängen von der Decke; über Eck zeigt eine doppelte Videoprojektion Entwürfe des Büros rund um den Globus, darunter eine U-Bahn-Station im saudi-arabischen Riad, bei der man als Berliner vor Neid erblassen möchte, und das geplante Opernhaus in Schanghai, das seine Zusatzqualität als begehbare Großskulptur wohl dem Osloer Vorgänger verdankt.

Alle Bauten und Entwürfe fügen sich nahtlos in ihre Umgebung ein, ohne darin zu verschwinden. Die ideale Kombination, immer vorausgesetzt, dass nicht allzu viele und gedankenlose Besucher vorbeikommen. Vielleicht ist es genau das, was die Corona-Krise zur Folge haben wird. Snøhetta scheint dafür bestens gewappnet.

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