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Singen statt schießen: Die Ukraine hat beste Chancen den Eurovision Song Contest 2022 zu gewinnen

Das ukrainische Kalush Orchestra ist Topfavorit im Finale des ESC 2022 in Turin. Deutschland droht eine erneute Pleite.

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Folklore und Electrobeats, das ist eine Formel, die beim Eurovision Song Contest (ESC) schon öfter erfolgreich war. Wenn aber das Kalush Orchestra aus der Ukraine als Topfavorit für das Finale des Musikwettbewerbs gehandelt wird, könnte man darin den Ausdruck einer politischen Stimmungslage vermuten.

Schließlich bezeugt gerade ganz Europa seine Solidarität mit dem von Putins Russen angegriffenen Land. Aber die Annahme täuscht. „Stefania“, das Stück, mit dem das Kalush Orchestra am Samstagabend in Turin antritt, ist einfach ein sehr guter Song, Krieg hin oder her.

Loblied auf die Mutter

„Stefania“ beginnt mit mehrstimmigem, hell aufsteigenden A-capella-Intro, dann setzt der Hip-Hop-Rhythmus ein. Rudernd und pumpend bewegt sich ein Rapper über die Bühne, der Gesang wechselt zwischen ihm und dem Leadsänger, der zwischendurch in eine armlange Flöte bläst, ein traditionelles Instrument, das Telynka heißt.

Ihr Lobgesang gilt einer grauhaarigen Mutter namens Stefania, die für das lyrische Ich des Songs noch einmal das Gutenachtlied seiner Kindheit singen soll. Der Rapper trägt Häkelweste und Anglerhut, beides schrill bunt, während sich der Leadsänger in einem bestickten, bäuerlich wirkenden Hemd zeigt.

Das Kalush Orchestra
Das Kalush Orchestra

© dpa

Ein glatzköpfiger Kollege tanzt in einer Art Mönchskutte auf einem Podest. Hinter den Musikern gleiten folkloristische Ornamente als Projektion über die Wand. „Stefania“ ist eine Liebeserklärung, die in den vergangenen Wochen eine neue Bedeutung bekommen haben könnte.

Denn in patriotischen Zeiten gibt es eine noch größere Mutter: die Ukraine. „Ich werde immer meinen Weg nach Hause finden, auch wenn die Straßen zerstört sind“, lautet eine Songzeile.

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Sänger Oleh Psiuk hat das Kalush Orchestra 2021 in der gleichnamigen westukrainischen Stadt gegründet. Seine Mutter heißt tatsächlich Stefania. Beim nationalen Vorentscheid zum ESC waren die sechs Musiker Anfang Februar nur auf Platz zwei gelandet. Aber dann sagte die Siegerin Alina Pash ihre Teilnahme ab, nachdem sie wegen eines Besuchs auf der Krim kritisiert worden war. Die Kalush-Musiker sind im wehrfähigen Alter, zum Wettbewerb durften sie mit einer Sondergenehmigung reisen.

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Bei den Buchmachern liegt das Kalush Orchestra klar vorn. Das heißt aber nicht, dass es wirklich gewinnen wird. Der Streamingdienst Spotify prognostiziert ein anderes Ende des Finales. Im letzten Jahr hatte er aufgrund einer Datenauswertung den Sieg der italienischen Rockband Måneskin korrekt vorhergesagt.

Basierend auf den Zahlen der Streaming-Aufrufe würde das italienische Duo Mahmood und Blanco mit ihrem Song „Brividi“ vorne liegen, gefolgt von der Schwedin Cornelia Jakobs mit „Hold Me Closer“ und der niederländischen Sängerin und Rapperin S10.

„Brividi“, italienisch für Schüttelfrost, ist eine schöne, aber nicht wirklich herausragende Klavier- und Streicherballade, vorgetragen mit viel Falsettgesang. Und könnten nicht auch Außenseiter punkten, etwa Zdob si Zdub & Advahov Brothers aus Moldau mit ihrer irrwitzigen, Ethno- und Rock’n’Roll-Klischees mischenden Performance?

Ein Hauch von Ed Sheeran

Die deutschen Hoffnungen ruhen diesmal auf Malik Harris. Sein Song „Rockstars“ erinnert entfernt an Ed Sheeran. Harris singt markant, die Halbballade beginnt mit einem E-Piano, ziemlich genau in der Mitte wechselt der Sänger in den Sprechgesang, woraufhin das Stück sich kurz pathetisch aufbläst, um am Ende zu verpuffen. Im Hintergrund hört man es gewittern.

Es fehlt an Stringenz, die Melodie bleibt nicht hängen. Der englischsprachige Text handelt von Selbstzweifeln und einer Sehnsucht nach den „good old days“, einer Zeit bevor das Leben aufhörte zu glänzen.

Malik Harris, vor 24 Jahren als Sohn eines US-amerikanischen Fernsehmoderators in Landsberg am Lech geboren, hat bislang zehn Singles und ein Album veröffentlicht. Die Buchmacher sehen ihn nur auf Platz 25 des Musikwettkampfs. Beim letzten Durchgang 2021 schaffte es der deutsche Sänger Jendrik mit „I Don't Feel Hate“ nur auf Rang 25.

Deutschland gehört mit Italien, Großbritannien, Frankreich und Spanien zu den sogenannten Big Five, die auch ohne Qualifikation für das Finale gesetzt sind.

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