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Kommunizierende Stimmen. Das Leipziger Calmus Ensemble.

© Anne Hornemann

Singen gegen die Pandemie: Töne bitte desinfizieren!

Musikalische Statements zur Corona-Zeit: ein Streamingalbum des Calmus-Ensembles.

Schweigt die Kunst in der Krise? Das Credo des Leipziger Calmus-Ensembles lautet: Nein! Selbst schwer getroffen von der Corona-Pandemie und bisher leer ausgegangen bei den Überbrückungshilfen, versuchen die fünf Leipziger Echo-Klassik-Preisträger, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Noch im ersten Lockdown hatte die Bundeskulturstiftung eine Projektinitiative für freischaffende Ensembles gestartet, um der Pandemie musikalischen Ausdruck zu verleihen. „Wir entschieden uns für kurze Statements und wollten dabei sehr viele Freiheiten lassen“, erinnert sich Spiritus Rector und Bariton Ludwig Böhme.

Also wurden 100 befreundete Komponisten und Festivals mit Affinität zur Moderne angeschrieben. 41 Miniaturen, nur wenige länger als eine Minute, kamen im Laufe eines halben Jahres zurück. Sie alle sind seit kurzem als „Mosaik“ über die gängigen Streamingdienste nachzuhören; auf einer eigenen Website veröffentlicht Calmus zusätzlich Erläuterungen zu den Werken und teilweise sogar Partituren.

Sie changieren zwischen Avantgarde, Klangexperiment und Popsong. Das Ergebnis ist höchst unterhaltsam, des Nachdenkens wert und weit entfernt von Rechthaberei, Zynismus oder spalterischen Tendenzen. „Wir betrachten unser Mosaik als Statement der Kultur insgesamt, das vielleicht konstruktiver und vielfältiger ist als die zuletzt aufgetauchten Videoclips der Schauspieler“, sagt Böhme in Anspielung auf die #allesdichtmachen-Aktion.

Die Echo-Preisträger singen Romantik-Parodien und „Verordnungsmusik“

Die Spannung entsteht – mit einer erstaunlich positiven Grundstimmung – aus den unterschiedlichen Zugängen zum Thema. Natürlich befassen sich die meisten Mosaiksteinchen direkt mit den Folgen der Pandemie, wobei Depressives eher in der Minderheit ist. Manche nehmen Corona mit Humor, manche mit Hoffnung und Vorfreude, manche ironisch. Der Berliner Carsten Gerlitz bringt es mit der grotesken Romantik-Parodie „Corona, du Arschloch!“ auf den Punkt.

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Steffen Schleiermacher, neben Bernd Franke einer der prominentesten Komponisten, die auf dem Album vertreten sind, vertont in seiner „Verordnungsmusik“ die Anweisung, jeder Ton dürfe nur einmal benutzt werden und sei „nach Gebrauch durch Pausen zu desinfizieren“. Ein 69-sekündiges Glanzstück. Es ist ja kein leichtes Unterfangen, eine Aussage in nur wenige Takte zu verdichten und trotzdem aufführbar zu machen. „Hätte uns jemand vertonte Verschwörungstheorien eingesandt, würden wir die wahrscheinlich auch aufgenommen haben“, sagt Böhme. „Es ging um Vielfalt, nicht darum, dass alle Mosaikteile unsere Meinung widerspiegeln, die es sowieso nicht gibt, denn auch innerhalb des Ensembles hat es Diskussionen gegeben.“

Um so schöner, wenn sich dann doch alle wieder zur gemeinsamen Musik vereinen. Zumal das Projekt neben einigen virtuellen Konzerten eins der wenigen war, das in den letzten vierzehn Monaten überhaupt realisiert werden konnte. „Wir haben nie lamentiert, sondern kreativ nach vorne gedacht“, sagt Böhme. Das merkt man.

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