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Tragbarer Bürgerstolz. Ein Haarkamm von Mogens Ballin (1900/1901).

© Martin Adam/Berlin

"Simply Danish" im Bröhan-Museum: Spiel des Lichts

Mehr als Bling-Bling: Dänischer Silberschmuck des 20. Jahrhunderts im Bröhan-Museum.

Diese Dänen. Schon beim modernen Möbeldesign haben sie den Mitteleuropäern in Sachen schlichte Eleganz mit Ikonen wie Arne Jacobsen und Hans J. Wegner den Rang abgelaufen. Und besieht man sich die Ausstellung „Simply Danish“ im Bröhan-Museum funktioniert das im 20. Jahrhundert auch exemplarisch beim Schmuck.

Die 170 ausgestellten Broschen, Gürtelschnallen, Haarkämme, Ketten, Ringe und Hutnadeln sind in Material, Formgebung und Ausstrahlung Lichtjahre vom protzigen Bling-Bling entfernt, dem im Kunstgewerbemuseum gerade die Ausstellung „Bijou, Bijoux – Modeschmuck von Chanel bis Dior“ (bis 27. Januar) huldigt. Die dort gezeigten üppigen Colliers sprechen vom Wunsch nach Glamour und Repräsentation, obwohl sie aus Glas, Kunststoff und unedlen Metallen gefertigt sind. Also der Wirkung, die generell der Absicht von Schmuck entspricht.

Bürgerschmuck statt Fürstenprunk

Das dänische Silber ist dagegen deutlich unprätentiöser. Es kommt ab 1900 gewissermaßen als bürgerliche Antwort auf einstmals höfischen Prunk einher, wie der enthusiastische Sammler Jörg Schwandt beim Rundgang erläutert. Die Beschränkung auf das verglichen mit Gold weit weniger elitäre Metall und auf schlichte Schmucksteine ist eine Besonderheit. Der Berliner Galerist und seine Ehefrau Marion Schwandt, eine pensionierte Lehrerin, haben die von 48 Schmuckkünstlern angefertigten Preziosen zusammengetragen. Gewissermaßen als Quintessenz einer zuvor angelegten Sammlung von 950 Schmuckstücken, die inzwischen in einem Museum im dänischen Aarhus zu sehen ist. Auch das Buch zur Berliner Ausstellung, die vorher im Grassi Museum in Leipzig gezeigt wurde, hat Jörg Schwandt verfasst.

Spacig. Brosche von Henning Koppel (1969).
Spacig. Brosche von Henning Koppel (1969).

© Martin Adam/Berlin

Die Begeisterung der Schwandts für das „Land des Silbers“ hat bereits 1972 begonnen, als sie ein Schmuckstück von Georg Jensen erwarben, der mit einer dekorativen Blütenblätterbrosche von 1910/12 vertreten ist, an der ein leuchtend grüner Achat-Tropfen baumelt. Jensen war Silberschmied, aber auch Bildhauer. „Diese Dualität von Kunst und Handwerk fasziniert“, sagt Jörg Schwandt und erläutert am Beispiel der Pflanzenmuster nachahmenden, aber nicht eins zu eins kopierenden Brosche, wie die an der Natur orientierte Bildsprache das Kunsthandwerk dominiert.

Der Dekorträger Silber wird zum Material an sich

In der Tat zeigen die Broschen und Gürtelschließen aus den Jahren 1900 bis 2000 eine gradlinige, mit kunstgeschichtlichen Einflüssen – Expressionismus, Funktionalismus – korrelierende Entwicklungslinie. Zu Beginn prägen zwei Vorbilder die Gestaltung: Die Rückbesinnung auf Handwerksqualitäten, die die britische Arts- and-Crafts-Bewegung zelebrierte. Und die japanische Kultur mit ihren Naturmotiven, die sich auch in Georg Jensens frühen Jugendstil-Arbeiten niederschlägt. Erstaunlich, welche Schattierungen die adaptierten Tier- und Pflanzenmotive kennen. „Ziselieren heißt Plastizität schaffen“, beschreibt Jörg Schwandt den negativ gearbeiteten, also das Silber immer auf der Rückseite austreibenden Schmiedeprozess. Das Erscheinungsbild eines Stücks verändert sich täglich, Silber ist weich, es setzt Patina an. Und mutiert in den dänischen Silberateliers der dreißiger Jahre vom Dekorträger zum Teil der Konstruktion, zum Material als solches.

Jäger und Sammler. Das Ehepaar Marion und Jörg Schwandt.
Jäger und Sammler. Das Ehepaar Marion und Jörg Schwandt.

© Henrik Bjerg

Für diese funktionalistische Entwicklung steht Karl Gustav Hansen, einer der führenden europäischen Silberschmiede des 20. Jahrhunderts. Er folgt den Gesetzmäßigkeiten des Materials und konstruiert aus Silber, Elfenbein und Steinen halb organische, halb geometrische Gebilde, die die Vorläufer für das hinreißend skulpturale Nachkriegs-Design von Henning Koppel, Nana und Jørgen Ditzel und Bent Knudsen sind. Wie kriege ich das Licht in Bewegung? Wie kann man die dynamischen Reflektionen auf den polierten Oberflächen weiter steigern? Das sind die Fragen der Designer der fünfziger und sechziger Jahre. Das Ergebnis ist eine Symbiose aus handwerklicher und gestalterischer Perfektion, die nobel schimmernde Schönheit schafft.

Bröhan-Museum, Schlossstr. 1a, Charlottenburg, bis 3. März, Di-Do 10-18 Uhr, Katalogbuch: Arnoldsche Art Publishers, 232 S., 38 €. Kostenlose Führungen (zzgl. Eintritt) mit dem Sammler an folgenden Sonntagen, jeweils 15 Uhr: 9.12., 6.1., 20.1., 3.2., 17.2., 3.3., Anmeldung nicht erforderlich.

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