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Simon Rattle, Chef der Berliner Philharmoniker. Foto: dpa

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Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker: Standbein, Spielbein, Tanzbein

Von Dvorak über Strawinsky zu Brahms: Die Berliner Philharmoniker begeistern bei ihm Silvesterkonzert, das die ARD und das RBB-Kulturradio live übertragen.

Es gibt im Leben eines Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker wohl wenige Dinge, die lästiger sind, als mit den Herren vom Fernsehen über die Programme der Silvesterkonzerte zu feilschen. Denn die TV-Verantwortlichen haben wahnsinnige Angst davor, dass die Sendeware nicht populär genug sein könnte. Weil Simon Rattle natürlich keine Lust hat, seine Jahresendpläne auf David-Garrett-Niveau herunterzudimmen, er andererseits aber weiß, wie wichtig seinen Musikern die Präsenz in den Massenmedien ist, hat er jetzt einen cleveren Kompromiss ausgehandelt: Zu Beginn gibt es künftig immer einen der 16 „Slawischen Tänzen“ von Dvorak, den Rausschmeißer bildet einer der 21 Brahms’schen „Ungarischen Tänze“, in der Mitte tritt jeweils ein Stargast auf. Bei der übrigen Abendgestaltung aber hat Rattle freie Hand, solange es sich um tänzerische Musik handelt. Damit lässt sich dramaturgisch arbeiten.

Richtig raffiniert sogar ist der Spannungsbogen, den der Dirigent diesmal nach der Pause schlägt: Drei Zukunftsmusiken französischer, deutscher sowie russischer Provenienz, entstanden zwischen 1904 und 1909, die zeigen, was musikalisch möglich war, als aus Tonsetzern sinfonische Poeten und Klangmaler wurden. Charmant und schillernd Maurice Ravels „Alborada del gracioso“ (mit einem wunderbar liebessehnsüchtigen Fagottsolo von Stefan Schweigert), Richard Strauss „Tanz der Salome“ in tausend Klangfarbeffekten funkelnd wie Herodes’ Juwelen, und als höchste Steigerungsform gedanklicher Anverwandlung schließlich die sublimierte Archaik von Igor Strawinskys Ballett „Der Feuervogel“. Ein Triptychon meisterlicher Orchestrationskunst, das den Berliner Philharmonikern ideale Möglichkeiten bietet, ihren glorious sound vorzuführen.

Zu Silvester 1988 debütierte der damals 17-jährige Jewgenij Kissin unter Karajans Leitung in Berlin. Nun ist er wieder dabei, mit einer höchst privaten Interpretation von Griegs Klavierkonzert. Und macht erneut Staunen mit seinem ungemein plastischen Klavierklang. Wer so sitzt, dass er die Tastatur nicht sieht, dem scheint, dass hier keine Hämmer auf Stahlsaiten schlagen, sondern dass Kissin die Musik förmlich mit seinen Händen formt: Er knetet und meißelt, schiebt Klangwellen vor sich her, lässt Noten abtropfen, schlägt einzelne Töne ein wie Nägel, schüttet eine Kiste Glasmurmeln aus. Riesenjubel.

Die ARD und das Kulturradio des RBB übertragen das Konzert ab 18.30 Uhr. Bereits ab 17.35 Uhr dirigiert im ZDF Christian Thielemann die Staatskapelle Dresden.

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