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Wer hat jetzt was mit wem? Szene aus „Wie es euch gefällt“ im Globe-Theater.

© Thorsten Wulff

Shakespeare-Sommer in Berlin: Derbe Witze und zarte Liebesränke

Shakespeare-Komödien sind die Klassiker des Draußentheatersommers. Bei der Shakespeare Company und im Globe-Theater geht es laut und lustig zu.

Es sind rohe Zeiten. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft brutal, Heerscharen bettelnder Menschen jeden Alters ziehen durch die Straßen. Und vor allem für Frauen sieht das Leben in dieser religiös geladenen, gewalttätigen Gesellschaft nicht rosig aus. Über ein Wort wie „Gleichberechtigung“ würden die meisten Männer nur lachen, ein Londoner Arzt erstellt eine Liste mit 70 Krankheiten, die nur Frauen bekommen können – als Gottesstrafe, versteht sich. Auch in der Ehe haben sie praktisch keine Rechte. Nach gängigem Verständnis darf ein Mann „Geächtete, Verräter, Heiden, seine Hörigen und seine Frau schlagen“. Willkommen im elisabethanischen Alltag.

Ian Mortimer beschreibt das alles in seinem schönen Buch „Shakespeares Welt“, das immer eine lohnende Lektüre ist, bevor man sich in die Sommertheatersaison aufmacht, wo die unsterblichen Liebesverwirrspiele des großen Autors ihre Premieren feiern. Diese Komödien voller Scharaden und Verwechslungen, die meist in irgendeinem Wald vonstatten gehen und nicht selten in der Mehrfach-Hochzeit münden. Ende gut, alles gut?

Gespickt mit Frivolitäten

Bekanntlich fanden die mit Frivolitäten und Derbheiten gespickten Stücke damals auch vor einem Publikum statt, das sich wenigen romantischen Illusionen hingab und im Globe Theater vor allem eine krachende Gaudi erleben wollte – während ein Haus weiter vor zahlenden Zuschauer:innen angekettete Bären gegen Hunde kämpften.

So wenig Anlass zur nostalgischen Verklärung von Shakespeares Zeiten besteht, einen Vorteil hatte der Theatermacher gegenüber der Gegenwart: das 1599 errichtete Globe musste nicht um seinen Platz kämpfen. Es gibt jedenfalls keine Überlieferungen, wonach Shakespeare sich mit Erbpachtrecht, Bebauungsplänen und Bezirksverwaltungen herumzuschlagen hatte.

Das unterscheidet ihn von Christian Leonard, dem Mann, dem eines Tages das noch einzuführende Theaterverdienstkreuz verliehen gehört, wenn er es denn irgendwann geschafft hat, seinen Lebenstraum eines in voller Pracht erstandenen Globe Berlin zu verwirklichen.

Die Geschichte aller bisher gescheiterten Versuche würde ein eigenes Buch füllen. Stand jetzt soll im kommenden Jahr das Globe, das Leonard schon vor Jahren in Schwäbisch-Hall erworben und in Einzelteilen nach Berlin transportiert hat, an der Charlottenburger Sömmeringstraße endlich aufgebaut werden. We’ll see.

Wer hat jetzt was mit wem? Szene aus „Viel Lärm um nichts“ (l.) bei der Shakespeare Company.
Wer hat jetzt was mit wem? Szene aus „Viel Lärm um nichts“ (l.) bei der Shakespeare Company.

© René Löffler

Vorerst wird unter dem Motto „Abschied und Aufbruch“ noch mal Saisoneröffnung auf der „Open-O-Bühne“ gefeiert, dem rudimentären Holzrund, das dort in Spreenähe schon steht. Die erste Premiere hat „Wie es euch gefällt“ („As you Like it“), nicht zu verwechseln mit „Was ihr wollt“ („Twelfe Night, Or what you will“) – das Stück, aus dem das berühmte Zitat stammt, wonach die ganze Welt eine Bühne und alle Menschen nur Spieler.

In der Regie von Anselm Lipgens und der Fassung von Christian Leonard bricht also die Heldin Rosalinde (Lisa Riesner) mit ihrer Freundin Celia (Sophia Bauer) sowie dem Narren Zwackstein (Mick Morris Mehnert) nach einigen Querelen am Hofe des Herzogs (Matthias Horn) in den Ardenner Wald auf, wo sie eine Schäferei erwirbt und sich als Mann mit Namen Ganymed verkleidet. Was zu Turbulenzen führt.

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Nicht nur verliebt sich Schäferin Phoebe (Gina Christof) in ihn/sie. Auch Rosalindes Lover in spe Orlando (Jannik Rodenwaldt), der ihr nachreist und den ganzen Wald mit Liebesgedichte vollpflastert, erkennt die Angebete nicht. Es braucht also definitiv noch ein paar Story-Entwirrungsschleifen bis zur finalen vierfachen Hochzeit.

Lipgens’ Inszenierung nutzt dafür mitreißend das gesamte hölzerne Spielrund, trumpft auch musikalisch auf und ist erstaunlich kurzweilig. Kein Zweifel, das Globe-Ensemble hätte sein historisches Rundhaus redlich verdient.

Standortprobleme sind verbreitet

Standortschwierigkeiten mit Shakespeare sind in Berlin verbreitet. Das Monbijoutheater in Mitte ringt nach nunmehr auch schon jahrelangen Verwerfungen, nach Betreiberwechseln und Kämpfen mit dem Bezirksamt, aktuell um seine Sommersaison („Und sie spielen doch! Eintritt in Kürze…“ verkündet die Homepage tapfer). Während die Shakespeare Company Berlin ihren angestammten Platz im Naturpark Schöneberger Südgelände räumen musste.

Dort wird die Lokhalle – traditionell der Regenunterschlupf der Freilufttruppe – aufwändig saniert und zum Kulturort umgebaut. Allerdings hat die Company einen sehr adäquaten Ersatzspielort am Insulaner gefunden, wo in diesem Sommer und auch in den kommenden Jahren das volle Shakespeare-Programm geboten wird. In einem neu errichten hölzernen Halbrundtheater, einem „Wooden U“.

[Globe Berlin: „Wie es euch gefällt“: nächste Vorstellungen am 1. und 2. Juli, Shakespeare Company Berlin: „Viel Lärm um nichts“: wieder 5. bis 9., 19. bis 23. Juli]

„Viel Lärm um nichts“ („Much Ado about Nothing“) gab’s zum Auftakt in der Regie von Thomas Hollaender zu sehen, die Geschichte der Kumpels Don Predro, Benedikt und Claudio, die nach einer gewonnenen Schlacht nach Messina zurückkehren. Bloß, um sich in ein sehr unübersichtliches Liebesintrigen- und Verkupplungsspiel rund um die Gouverneurstochter Hero und seine Nichte Beatrice zu stürzen. Letztere ist, wie auch Benedikt, eigentlich sehr vom Singledasein überzeugt (was, siehe die elisabethanischen Zeiten, ja auch nicht verwundert).

Wortgefechte wie verrückt

Die Wortgefechte, die sich die beiden liefern, zählen in jeder „Viel Lärm um nichts“-Inszenierung – wie auch in dieser nach einer Fassung von Martin Molitor – zu den Highlights (Beatrice: „Lieber höre einen Hund nach einer Krähe kläffen, als einen Mann von Liebe säuseln“. Benedekt: „Gute Einstellung. Das wird so manchem Mann das Schicksal ersparen, sich von Ihnen das Gesicht zerkratzen zu lassen“.).

Das Publikum – das anders als im überdachten Theater sowohl bei der Shakespeare Company, als auch im Übergangs-Globe keine pandemischen Entwöhnungserscheinungen zeigt und vollzählig aufläuft – hat seine Freude dran. Vermutlich nicht zuletzt, weil diese Art des Volkstheaters mit seiner Direktheit und seinem unparfümierten Humor noch am besten ein Gefühl dafür vermittelt, aus welchen rauen Zeiten die Stücke eigentlich stammen. Und wieso an jedem Happy End auch der Zweifel nagt.

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