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Unterwegs zu schöneren Ufern. Eine Frau mit zwei Fahrradtaschen.

© imago/cavagan images

Serie Über Gepäck (Finale): Meine Fahrradtasche – ein kleines Stück Freiheit

Auf den ersten Blick wirkt sie unspektakulär. Doch in der Fahrradtasche unserer Autorin liegt ein großes Versprechen verborgen. Eine Kolumne.

Endlich ist das Reisen wieder möglich. Koffer, Taschen und Beutel werden gepackt. In der Serie geht es um unsere liebsten Gepäckstücke. Bisher erschienen: Rollkoffer (30. 6.), Trekkingrucksack (6. 7.), Ikea-Tasche (9. 7.), Kofferbandchaos (13. 7.), Super-Skoda (15. 7.). Anzugrucksack (19.7.), Shopper-Tasche (21.7.), Duffle Bag (27.7.), Schuhbeutel (2.8.)

Es gibt kaum Gepäckstücke, die an ein bestimmtes Transportmittel gebunden sind. Der Koffer kann im Auto, mit dem Zug oder dem Flugzeug verreisen, der Wanderrucksack ebenso. Doch es gibt ein Gepäckstück, dessen Sinnhaftigkeit ganz sicher an seinen Zweirad-Gefährten gebunden ist: die Fahrradtasche. Nur in Kombination mit einem Fahrrad entfaltet sich ihre ganze Wirkmacht – das ist ihr Nachteil, aber eben auch ihr Glück. Mit keinem anderen Gepäckstück liegt die ganz große Freiheit so nah.

Dabei ist mein blaues Exemplar zunächst einmal eine praktische Alltagsstütze: Sie transportiert große Mengen Kartoffeln, Möhren und Käse vom Markt und die Bierflaschen für den Feierabend mit Freund:innen, sie nimmt den Laptop sicher in Obhut auf dem Weg zur Arbeit, und verschlingt lange Hose und Regenjacke, wenn unklar ist, ob das Wetter sich beim Picknick dazu entscheidet, die Wolken regnen zu lassen. Meine Fahrradtasche ist in allererster Linie funktional, unspektakulär, und wenn sie vollgepackt mit ihren Henkeln an meiner Schulter hängt, dann ist sie sogar unpraktisch, weil zu schwer, der Henkel schneidet ins Fleisch. Noch dazu schreit alles an ihr nach dieser Funktionalität, und nichts schreit nach Schick oder Weltenentdeckerdrang.

Das ist ihr aber egal, der Fahrradtasche, denn sie weiß, dass ihr Charme nicht ans Äußerliche gebunden ist, sondern an den Dienst, den sie tagein, tagaus leistet – und das Versprechen, das verborgen in ihr liegt. Das Versprechen schlummert meistens, ohne eingelöst zu werden, tief unten in meiner Tasche, irgendwo da, wo sich eine Schicht aus alten Kassenzetteln, Kekskrümeln und vertrockneten Rosinen gebildet hat.

Es fühlt sich an wie Urlaub

Manchmal aber, wenn ich Glück habe und auch ein bisschen Zeit, dann wird das Versprechen eingelöst. Zum Beispiel an einem sonnigen Wochenendtag. Dann packe ich einen Badeanzug und ein Handtuch in meine Tasche, vielleicht noch ein T-Shirt für später und einen Pulli, für den Moment, wenn die Mücken rauskommen, dazu viel Wasser und viele Leckereien. Am Gepäckträger aufgehängt wird die schwere Sommersonnentagausstattung zum Fliegengewicht. Und dann fahren wir los, meine Fahrradtasche und ich.

Erst ist es noch voll auf den Straßen, wir schlängeln uns vorbei an Menschenmengen und dämlich abgestellten E-Rollern, vorbei an den großen Kreuzungen und den stinkenden Autos, wir fahren immer weiter, bis die Häuser lichter werden und der Blick weiter. Die Fahrradtasche hält mir den Rücken frei, und nur manchmal hüpft sie etwas beim Überrollen einer hohen Bordsteinkante, ansonsten ist sie ruhig; fast vergesse ich, dass sie da ist.

Wir erreichen den See, jedoch das reicht uns nicht, wir fahren immer weiter, über Brücken und durch Felder, alles nur mit der Beinkraft und der Kraft der Fahrradtasche, die das Gepäck hält. Es fängt an zu regnen, ein Schauer, aber das ist egal, denn meine Tasche ist regendicht. Wir radeln und fahren und irgendwann sind wir da. Das Meer. Ich gehe baden. Am Rand stehen mein Rad und das eingelöste Versprechen, in jedem Moment mit all dem in die Freiheit zu fahren, was es für kleine Urlaubsfreuden braucht: die Fahrradtasche.

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