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Der erwachsene Danny (Ewan McGregor) wird von dunklen Vorahnungen und seiner blutigen Familiengeschichte heimgesucht.

© Warner

Sequel zu "The Shining": Regisseur Mike Flanagan bekam sogar den Segen Stephen Kings

Auf den Spuren von Kubrick: Das Sequel „Dr. Sleep“ zitiert ausgiebig den Horrorklassiker „The Shining“

Vertraut brummt der Synthesizer auf der Tonspur. Er verheißt nichts Gutes, der Showdown von „Doctor Sleeps Erwachen“ kündigt sich an. Die Kamera fliegt über den Gebirgssee , vorbei an einer Insel, nähert sich einem Auto, das sich die Serpentinen hinaufschlängelt. Immer tiefer in die Berge Colorados, bis im Licht der Scheinwerfer das schneebedeckte Overlook Hotel erscheint. Doch es sieht anders aus, als man es in Erinnerung hatte: Die Fenster sind vernagelt, nirgends brennt Licht. Der legendäre Ort des Schreckens liegt wie im Kälteschlaf.

An diesem Ort schrieb Stanley Kubrick vor fast vierzig Jahren mit „The Shining“ Filmgeschichte. Mike Flanagan, Regisseur von soliden Horrorfilmen wie „Ouija“ und „Before I Wake“, rüttelt ihn nun wieder wach. Der 41-Jährige hat die Fortsetzung gedreht und sich wieder dorthin gewagt, wo einst Jack Nicholson mit der Axt auf seine Familie losging.

Flanagan zeigt keine Berührungsängste mit dem Original, zitiert die Musik von Wendy Carlos und Rachel Elkind, übernimmt Einstellungen, komplette Kamerafahrten. Wieder schwappt das Blut aus dem Fahrstuhl, folgt die Kamera dem Jungen bei seinen Touren auf dem Dreirad und windet sich immer ein bisschen zu spät um die Ecken des Hotelflurs.

Heißer Draht in die Geisterwelt

Den größten Wagemut bewies Flanagan noch vor Drehbeginn. Er bat Stephen King um seinen Segen – und bekam ihn. Das ist bemerkenswert, „The Shining“ gehört zu den wenigen Werken der Filmgeschichte, die die Vorlage in den Schatten stellen. Kings legendäre Abneigung gegen Kubricks Version seines Buches half da sicher.

Flanagan bezieht sich in seinem selbstverfassten Drehbuch sowohl auf Kings eigene, 700 Seiten starke Fortsetzung „Doctor Sleep“ von 2013, die Kubricks Änderungen einfach ignoriert, als auch auf dessen Verfilmung. Es bereitet ihm zunächst Mühe, all die Bezugspunkte zusammenzubringen. Nach einer halben Stunde hat Flanagan ein gutes Dutzend Figuren eingeführt, fünf Handlungsorte und drei Zeitebenen erschlossen. Nur langsam schält sich der Plot heraus.

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Danny, der übernatürlich begabte Junge auf dem Dreirad, ist inzwischen erwachsen – und ein psychisches Wrack. Wie sein Vater, Nicholsons verrückter Hausmeister Jack Torrance, trinkt er zu viel, neigt zu Gewaltausbrüchen. Wie schlimm es um ihn steht, signalisiert wohl der Vollbart, den sich Ewan McGregor stehen ließ. Er kommt erst ab, als Danny in einer Kleinstadt an der Ostküste dem Alkohol entsagt und sein Leben auf die Reihe kriegt.

Yoga-Hexe im Wohnmobil

Nun arbeitet er in einem Hospiz und erleichtert den Bewohnern mit seinem heißen Draht in die Geisterwelt das Sterben. Deswegen bekommt Danny auch den Spitznamen „Doctor Sleep“, der für die restliche Handlung jedoch nicht weiter von Belang ist. Entscheidender ist, dass ein Mädchen namens Abra (Kyliegh Curran) Kontakt zu Danny aufnimmt. In dem Teenager ist das Shining, die übersinnliche Begabung, stark und ungezähmt.

Abra kommt einem Haufen stilbewusster Althippies auf die Spur, die im Wohnmobil durch Amerika reisen. Ein Kult, der Finsteres im Schilde führt. Die Hippies machen Jagd auf Kinder wie Abra, quälen und töten sie, um ihnen das Shining auszusaugen, das aus den jungen Körpern als Dampf entweicht. Wie Vampire zapfen sie den Opfern die Lebensenergie ab. In ihren Träumen beobachtet Abra einen Mord, wird dabei aber von der Anführerin, einer Art Yoga-Hexe (Rebecca Ferguson), bemerkt.

Pop-Zitate statt Metaphysik

Flanagan jongliert in „Dr. Sleep“ mit allerlei Subtexten: Es geht um die verändernde Kraft der Teenagerjahre und, wie so oft bei King, um Außenseiter, die sich mit ihrer Andersartigkeit arrangieren müssen. So erinnert das Shining an die Macht in „Star Wars“, die übernatürlich begabten Jugendlichen an die „X-Men“. Flanagan zieht Pop-Bezüge Kubricks Exkursen in die Metaphysik vor.

Aus Horror-Poesie wird routiniert erzählte Fantasy-Unterhaltung, als würde man einen in Jugendtagen liebgewonnen Film erneut sehen. Im Kinosessel daneben sitzt der Regisseur wie ein netter Onkel, der die zahlreichen Leerstellen auserklärt, die das Werk so magisch gemacht haben. Je mehr er sich dabei auf den Zauber des Films beruft, desto mehr verdampft der. Wie die Macht des Shining.
In 15 Berliner Kinos; OV: Karli Neukölln, Cinestar im Sony Center

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