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Prestigearchitektur. Teuer und viele Diskussionen. Heute freut sich ganz Hamburg über die Elbphilharmonie.

© REUTERS/Fabian Bimmer

Selbstbewusste Architektur für Berlin: Hamburgs Kultursenator glaubt ans Museum der Moderne

Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda plädiert für Mut bei der Architektur für eine Stadt. Bei der Elbphilharmonie habe es ja auch geklappt. Ein Gastbeitrag.

Am 14. November soll der Bundestag die Mittel für das neue Museum am Kulturforum freigeben. Das Projekt steht wegen der schon vor Baubeginn hochgeschossenen Kosten von 450 Millionen Euro in der Kritik – und auch wegen seiner Architektur. Hier äußert sich Carsten Brosda zum Berliner Museumsstreit. Brosda ist Senator für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg und Vorsitzender der deutschen Kulturministerkonferenz. Er lebte lange in Berlin.

Braucht es ein Museum des 20. Jahrhunderts im Herzen Berlins? Obwohl diese Frage gerade wieder einmal engagiert diskutiert wird, ist sie eigentlich falsch gestellt. Denn es geht weniger um Bedürfnisse, deren Erfüllung sich an den Ressourcen und Möglichkeiten messen lassen muss, als vielmehr um den Sinn eines solchen Vorhabens. Und der lässt sich nur laut und deutlich bejahen.

Öffentliche Räume für die Kunst und gerade auch für die moderne Kunst sind sinnvoll. Sie konfrontieren uns mit Irritationen und Inspirationen, die unsere Weltsicht weiten und unser Leben bereichern. Gerade weil die Kunst im Sinne Theodor W. Adornos Chaos in die Ordnung zu bringen vermag, hat sie alles Potenzial, Sinn zu stiften, wenn sie in unseren Alltag eindringt.

In diesem Sinne kann das Museum des 20. Jahrhunderts ein Ort werden, an dem wir uns mit der Realität einer künstlerisch fiktiven Gegenwart auseinandersetzen, um unsere aktuelle gesellschaftliche Verortung besser zu verstehen.

Kunst stellt die Fragen, die wir selbst nicht unbedingt stellen. Sie sät Zweifel, öffnet neue Blickwinkel und erzwingt Debatten, die wir als Gesellschaft führen müssen. Sie hilft uns so letztlich, zu uns selbst zu finden. Das aber kann Kunst nicht im Depot leisten. Sondern das kann sie nur, wenn sie sich öffentlich dem Diskurs stellt.

Das Museum der Moderne blickt auf die Gegenwart

Dafür braucht es Museen als öffentliche Räume. Und dafür braucht es gegebenenfalls auch neue Räume, wenn die alten nicht ausreichen.

Das Museum der Moderne kann genau solch ein Raum sein. Es blickt dabei programmatisch nicht in die Vergangenheit, sondern auf die Gegenwart, ihre Unübersichtlichkeit und ihre Widersprüche. Das Museum kann eine ganz besondere Kraft entfalten, weil ein Haus der Kunst auch in seiner Gestaltung immer schon ein öffentliches Bekenntnis zur Kunst sein sollte.

Architektur ist keine wärmende Hülle für einen vermeintlich rationalen Zweck, den es zu erfüllen gilt. Sie ist selbst ein öffentliches und künstlerisches Statement ihrer Zeit. Jede Zeit braucht den Mut, öffentlich – und das heißt oft: architektonisch – zu zeigen, was sie ausmacht.

Dazu braucht es offene Räume, die einladen, sich mit Kunst und Kultur auseinanderzusetzen und dies im besten Fall gemeinsam zu tun.

Die Attraktivität und Relevanz dieser offenen Räume erwächst aus ihrem Bezug zur Umgebung. Ich habe lange in Berlin gelebt und bin dieser Stadt eng verbunden. Deshalb weiß ich um die Standortdiskussion und möchte aus der Ferne keine konkreten stadtplanerischen Hinweise geben.

Museum der Moderne bietet Chance zur Revitalisierung des Kulturforums

Aber grundsätzlich kann ich mir kaum einen besseren Ort für ein Museum moderner Kunst vorstellen, als den bislang etwas unfertigen Platz zwischen der Neuen Nationalgalerie von Ludwig Mies van der Rohe, der Philharmonie und der Staatsbibliothek von Hans Scharoun und der denkmalgeschützten St. Matthäus-Kirche.

Inmitten dieses so dezidiert der Gegenwart zugewandten Gebäudeensembles braucht es eine selbstbewusste Architektur, die dem Gesamteindruck eine aktuelle Facette hinzufügt. Hier braucht es visionäre und zugleich sensible Architekten wie Jacques Herzog und Pierre de Meuron, die den genius loci verstehen und mit seiner Kraft zu arbeiten wissen.

Das schafft vielleicht auch die Möglichkeit, sich der Revitalisierung des Kulturforums im Ganzen noch einmal zuzuwenden.

An einem Ort, der lange Zeit an den Rand der Stadt, an die Grenze zwischen Ost und West, verbannt war und der heute so eindeutig im Herzen einer wiedervereinten Stadt inmitten eines wiedervereinten Landes liegt, kann Kunst ganz besondere Bezüge schaffen

Sie kann in den Dialog treten zu anderen Kunstsparten, sie kann sich der gesellschaftlichen Entwicklung stellen und sie kann vor allem genau dort ihre Wirkung entfalten, wo sich die Bürgerinnen und Bürger der Stadt mit ihren Gästen aufhalten. Kunst – das wird hier deutlich – kann das Gesicht einer Stadt prägen und Sinn stiften.

Herzog & de Meuron sind die richtigen für die Aufgabe

Nun ist von der Seite des Spielfeldes Zurückhaltung geboten, insbesondere wenn es um die Bewertung von Kostenentwicklungen und Planungsprozessen geht. In Hamburg wurde damals bei der Elbphilharmonie der Kardinalfehler begangen, dass in großer Euphorie der erste Spatenstich bereits zu einem Zeitpunkt erfolgte, als die Planungen noch nicht abgeschlossen waren.

Diesen Fehler konnte erst Olaf Scholz als damaliger Erster Bürgermeister im Rahmen einer aufwändigen und mehr als anstrengenden Neuordnung beseitigen.

Dass er nun auch bei den Planungen zum Museum des 20. Jahrhunderts mitzureden hat, sollte den Berlinern Mut machen. Ebenso wie der Umstand, dass man sich auf ein Architekturbüro eingelassen hat, das weltweit gezeigt hat, dass es nicht nur ikonographische Gebäude schaffen kann, sondern diese auch zu lebendigen Orten des gesellschaftlichen Austausches werden.

Was das konkret bedeutet, kann man Tag für Tag nicht nur in der Hamburger Elbphilharmonie erleben, sondern auch in der Londoner Tate Modern und vielen anderen Kulturbauten. Häuser der Kultur haben die Chance, ganze Stadtteile zum Positiven zu verändern und ungeahnte soziale Kräfte zu entfesseln.

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Lange um die Elbphilharmonie gerungen, es ging gut aus

Wir haben in Hamburg lange gerungen und auch viel gelitten, bis sich die Elbphilharmonie zu dem Erfolg entwickeln konnte, über den wir uns heute alle freuen. Über elf Millionen Besucher der Elbphilharmonie seit der Eröffnung und Abend für Abend ausverkaufte Konzerte haben der Stadt gezeigt, welche kulturellen Kräfte in ihr stecken und letztlich ihrem Selbstbewusstsein zugrunde liegen. Bei all dem haben wir aber eines nie aus dem Blick verloren – das Ziel, einen Bau entstehen zu lassen, der nur einem verpflichtet ist: der Freiheit der Kunst. Dies ist Voraussetzung dafür, dass Kunst und Kultur ihre volle Kraft entfalten können.

Der Hauptstadt Berlin kann stellvertretend für das ganze Land Ähnliches gelingen. Sie muss aber auch den Mut und die gemeinschaftliche Lust haben, ihre künstlerischen Schätze aus den Depots und in attraktive und neu gestaltete öffentliche Räume zu holen, damit sie ihre kulturelle und gesellschaftliche Kraft entfalten können. Mit all den Risiken, die Chaos bringen kann, das zur Kunst so unweigerlich dazugehört.

Carsten Brosda

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