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Ludivine Sagnier in Francois Ozons Thriller "Swimming Pool" (2003).

© imago/United Archives

Sehnsuchtsziel Swimmingpool: Blau ist eine heiße Farbe

Eckig oder oval, Hauptsache Pool. Dabei geht es eigentlich nicht ums Schwimmen - sondern um etwas ganz anderes. Eine kleine Psychotypologie des Privatschwimmbeckens.

Nachrichten dieses Sommers: Im Swimmingpool von Demi Moore, Los Angeles, wird die Leiche eines 21-Jährigen gefunden. Er konnte nicht schwimmen. In Panketal bei Berlin fällt ein dreijähriges Mädchen in einen Pool und ertrinkt. In Virginia Beach verlieren zwei US-Elitesoldaten in einem Schwimmbecken ihr Leben.

Der Swimmingpool, Sehnsuchtsziel in diesen Hitzetagen, scheint also eine dunkle Seite zu haben. Gefahrenort, Lebensrisiko. Es ist deshalb wahrscheinlich kein Zufall, dass es auch in den beiden Filmen, die den Swimmingpool im Titel tragen, um Tod und Leben geht. In Jacques Derays Thriller von 1968 mit Alain Delon, Romy Schneider und Jane Birkin ertränkt ein eifersüchtiger Ehemann seinen Nebenbuhler im Pool. In François Ozons Film von 2003 mit Charlotte Rampling und Ludivine Sagnier erschlägt Letztere ihren Liebhaber mit einem Stein.

Auch in literarischen Adaptionen des Swimmingpool-Themas geht es keineswegs heiter zu. Etwa in der Geschichte des US-Autors John Cheever „The Swimmer“, in der ein Mann durch sämtliche Pools seiner Nachbarschaft krault und dabei die gespenstischsten Erfahrungen macht. Oder in Herman Kochs Roman „Sommerhaus mit Swimmingpool“: Auch darin geht es um ein Verbrechen. Selbst die berühmten Pool-Bilder des Briten David Hockney, die mit ihren leuchtenden Farben so glatt und zutraulich wirken, erzählen auf den zweiten Blick von persönlichen Irritationen. Überwinden die Oberfläche und ziehen den Betrachter förmlich hinein in die Tiefen des Wassers. Und Tony, der Mafia-Boss in der berühmten TV-Serie „Die Sopranos“, sieht gleich zu Beginn der ersten Staffel, wie die Enten davonfliegen, die im heimischen Pool genistet hatten. Ein folgenreicher Anblick, der Gangster leidet daraufhin unter Depressionen und Panikattacken.

Schwimmbecken? Dann doch lieber "Swimmingpool"

Der Swimmingpool als Ort verhängnisvoller Affären. Pool-Dramen sind immer auch erotische Dramen, sie würden ohne diesen Hintergrund kaum funktionieren. In der lasziven, trägen Sommerschwüle am Pool lauern Abgründe. Denn der Swimmingpool ist mehr als eine sommerliche Erfrischungsmöglichkeit. Der Pool ist immer eine Verheißung, die ausschweifende Fantasien beflügelt. Allein die Pool-Parties in all den Verfilmungen des „Großen Gatsby“!

Es beginnt schon mit dem Wort. Unbedingt englisch muss es sein. Wie ernüchternd wäre die deutsche Ausgabe des Swimmingpools. Schwimmbecken! Das riecht nach Chlor, man hört den Bademeister meckern und Kinder schreien. Der Pool hingegen riecht nach Sonnenöl, nach Freiheit – und eben nach Sex. Und zwar nach Sex in seiner angenehmsten Variante, denn er riecht auch nach Reichtum. Jeder Hollywoodstar hat einen Pool im Garten. Er ist Inbegriff des Luxus, das Exklusivste vom Exklusiven, er ist Privatbesitz. Ist er das nicht, ist er öffentlich zugänglich, so muss er Schwimmbecken heißen. Das gilt auch für das größte Becken der Welt. Es steht in Chile und ist mehr als einen Kilometer lang. Und natürlich gilt das ebenso für jene Hotelpools, die ja von allen Gästen benutzt werden können. Auch sie müssten von Rechts wegen Schwimmbecken heißen.

Selbstverständlich gelten als Swimmingpools auch nicht jene merkwürdigen Rundbauten, Schüsseln, die sich manche in den Garten stellen, meist 1,25 Meter hoch, über eine Leiter zu erklettern. Aufstellbecken heißen sie in der Fachsprache, erfüllen zwar den Zweck der Erfrischung, aber entzünden nicht die geringste erotische Fantasie. Und Platz für einen Champagnerkübel ist am Beckenrand auch nicht.

Die perfekte Form: rechteckig

Der echte Pool, der, der diesen Namen verdient, muss in die Erde eingelassen sein, von Oleanderbüschen gesäumt, von Bougainvilleen umrankt. Er kann mit blauer Farbe gestrichen sein, damit das Wasser unergründliche Tiefen vorspielt. Er kann aus einer Edelstahlwanne bestehen, damit sich der Himmel glitzernd drin spiegelt. Oder er ist gefliest mit den teuersten Steinen aus Carrara, damit jeder sehen kann, dass es seinem Besitzer an Geld nicht fehlt. Und der Gipfel des Luxus? Der sogenannte Infinity-Pool. Er ist an einem Ende abgesenkt, so dass der Eindruck entsteht, das Wasser würde in der Unendlichkeit, der Endlosigkeit verschwinden.

Das geht am besten, wenn die Form des Pools ein Rechteck darstellt, was für die Pool-Mehrheit durchaus zutrifft. Extravagantere Formen, etwa der Kreis und insbesondere die Niere (wer hat sich das bloß ausgedacht?), finden sich hauptsächlich in den fünfziger und sechziger Jahren und sind heute eher zur Rarität geworden. Denkbare Ausmaße des Rechteck-Pools sind 8 Meter, 10 oder 15 Meter. Ganz undenkbar hingegen wären längere Längen. Die fallen dann wieder in den Bereich des Schwimmbeckens. Und im Pool geht es keineswegs ums Schwimmen, sondern um etwas völlig anderes.

Dafür ist wiederum die Privatheit des Swimmingpools entscheidend wichtig. Nur sie garantiert seine erotische Aufladung – und eben auch seine Eignung zu kriminellen Abstürzen. Sie verspricht Abgeschiedenheit, Ungestörtheit, Intimität und die Erlaubnis, sich ungezwungen zu benehmen, auf Badekleidung gar vollends zu verzichten und sich schamlos körperlichen Freuden zu ergeben. Romy Schneider und mehr noch Ludivine Sagnier haben das in besagten Swimmingpool-Filmen ausgiebig vorgemacht.

Mein Meer.
Mein Meer.

© imago stock&people

Einmal freilich haben sich die beiden Sphären vermischt, die private und die öffentliche. In jener berühmten Szene aus Federico Fellinis „La dolce vita“, als Anita Ekberg, eine Königin der Nacht, in den römischen Brunnen Fontana di Trevi steigt. Sie macht das kommunale Brunnenbecken zu ihrem Pool und verkehrt damit die Verhältnisse: Das Öffentliche wird privatisiert und damit skandalisiert – obwohl die Ekberg ihre Wasserfreude durchaus bekleidet zelebriert, in schwarzer Robe, wenn auch mit extremer Schulter-und Rückenfreiheit. Genau diese Vermischung des Privaten und Öffentlichen ist Ursache des erotischen Feuerwerks dieser nächtlichen Szene.

Zurück zum Privatpool. Die Sommer sind, wie die Sommer sind, heiße Sommer, laue Sommer, kühle Sommer. Aber jeder Sommer weiß, dass er sterben muss. Dann weht der Wind die Blätter des Herbstes auf den Swimmingpool, die Blätter des Oleander, die Blätter der Bougainvilleen und ein spätes Rosenblatt. Sie fallen ins Wasser, schweben noch ein wenig auf ihm, bis sie sich mit dem Wasser vollsaugen und untergehen. Dann ist der Sommer vorüber.

Letzte Meldung: In der Schweiz stürzt eine Kuh in einen Pool. Sie wird von der Feuerwehr gerettet.

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