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Robert De Niro (li.) und Joe Pesci lassen in "The Irishman" ihre großen Rollen in ihren Filmen mit Martin Scorsese noch einmal aufleben.

© Netflix

Scoreses Netflix-Film "The Irishman": Verjüngungskur für Robert De Niro und Al Pacino

Martin Scorseses "The Irishman" soll 160 Millionen Dollar gekostet haben. Jetzt gibt es den ersten Trailer - mit digital aufgehübschten Schauspielern.

Von Andreas Busche

Es ist die aufwendigste Anti-Aging-Kampagne der jüngeren Vergangenheit. Und irgendwie klingt auch eine nostalgische Wehmut mit beim Projekt "The Irishman". Einmal noch Filme drehen wie früher. Martin Scorsese, Robert De Niro, Harvey Keitel, Joe Pesci - man denkt bei diesen Namen an die Klassiker des New York- und Gangsterfilms, "Mean Streets", "Taxi Driver", "Goodfellas", "Casino". Die Filme machten ihre Hauptdarsteller zu Stars.

Scorseses verhalf De Niro zwar erst mit dem Boxerdrama "Wie ein Wilder Stier" zu seinem zweiten Oscar, aber unvergesslich ist De Niro in seinen Rollen als großspuriger Krimineller, den wahren Pionieren des amerikanischen Traums. Pesci verdiente sich seinen Oscar als soziopathischer Tommy DeVito in "Goodfellas", zusammen gaben die beiden in "Casino" einen Abgesang aufs Gangsterkino - und auf die Glitzermetropole Las Vegas, ebenfalls eine Erfindung italienischer Mobster. Und da im digitalen Zeitalter der Sehnsucht nach einer besseren Zeit keine Grenzen mehr gesetzt sind - solange man über das nötige Geld verfügt -, hat Scorsese einfach noch mal an der Uhr gedreht. Ist es wirklich schon so spät?

De Niro ist inzwischen 76, so wie Scorsese, Pacino gar 79. "The Irishman" ist vor allem ein Eitelkeitenprojekt, das aber auch viel über unsere Zeit erzählt. Die alten Männer wollen es nochmal wissen, sie wollen vor allem nicht alt werden. 160 Millionen Dollar soll es gekostet haben, die Hauptdarsteller digital zu verjüngen, die Postproduktion zog sich in die Länge. Dolly Parton sagte einmal, es koste viel Geld, so billig auszusehen wie sie. Das Gleiche gilt für den Anti-Aging-Wahn. Der Film wurde zu einer Demonstration des Siegs der Technik über die Biologie. Am Ende musste Netflix einspringen, weil Scorseses Partnerstudio Paramount dankend abwinkte. Zu teuer. Scorsese ist kein Kassenmagnet mehr, die alten Männer ziehen nicht.

Bei dem Streamingproduzenten aber spielt Geld (vorerst) keine Rolle. Nun ist der erste Trailer zu sehen: Kein anderer Film hat zuletzt so die Hoffnung befeuert wie "The Irishman". They don't do movies like this anymore, sagte man früher über das alte Hollywood. Jetzt kann die Netflix-Generation dasselbe über New Hollywood sagen, das Scorsese, De Niro und Pacino in den Siebzigern groß machte.

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Die ersten Szenen von "The Irishman" sehen wie zu erwarten fantastisch aus, als wäre die Zeit in den Siebzigern stehengeblieben. Da spielt auch der Film, der sich um das Verschwinden des legendären Gewerkschaftsführers Jimmy Hoffa dreht, dem "Herrn der Lastkraftwagen". Den hatte schon Jack Nicholson gespielt, noch so ein Egomane. Jetzt übernimmt Al Pacino den Part, wie immer mit vollem Körpereinsatz und raumgreifender Gestik.

Es geht um das Kippmoment amerikanischer Politik, in dem das Verbrechen, die Mafia, die Geschicke der Nation übernahm. Die Cosa Nostra soll schon bei der Ermordung von JFK mitgemischt haben, die Verschwörungstheorien schießen bis heute wild ins Kraut.

"The Irishman", der ab dem 14. November kurz in den deutschen Kinos läuft, bevor er zu Netflix hinüberwandert, kommt also zeitlich überaus passend heraus. Auch in der amerikanischen Politik dominieren gerade die alten Männer, bei Republikanern und Demokraten. Selbstbereicherung und Korruption werden inzwischen mit schamloser Offenheit im höchsten Amt der Nation praktiziert.

Robert De Niro, der Trump vor nicht allzu langer Zeit den Stinkefinger zeigte, spielt den "Irishman" Frank Sheeran, den einzigen Iren in der ehrenwerten Gesellschaft der Cosa Nostra. Er soll Hoffa damals ausgeschaltet haben, den Mord gab er erst am Ende seiner Laufbahn zu. "Mir ist egal, ob sie es getan haben", sagt der von Ray Romano gespielte Anwalt im Trailer. "Ich soll sie nur verteidigen." Schweigen, ein vielsagender Blick. "Was wollen Sie hören?", grinst De Niro. "Dass ich es getan habe?" Dieselbe Frage stellen sich momentan Millionen von Amerikanern, wenn sie die Nachrichten einschalten und ihrem Präsidenten zuhören.

Nach den letzten demokratischen Vorwahlen im November wurde in den USA viel über die nächste Politik-Generation geschrieben, die die Baby Boomer beerben sollte. Die Parteien müssten sich verjüngen, Verantwortung für die Zukunft übernehmen. Das war noch bevor Greta Thunberg in einem Segelboot den Atlantik überquerte. "The Irishman" schert sich nicht um die Zukunft - dem Trailer nach zu urteilen, nicht mal um die Gegenwart.

Aber er ist auch das Gegenteil vom gegerbten Alterswerk eines Clint Eastwood, der seine Dinosaurierhaftigkeit zelebriert. Konservativ im besten Wortsinn. Man sieht den zweiminütigen Trailer und hat das Gefühl, in einen Bernstein zu blicken, in dem ein vorzeitliches Fossil konserviert ist. Bleibt zu hoffen, dass nie jemand auf die Idee kommt, Joe Biden oder Bernie Sanders digital zu verjüngen. Manchmal ist es einfach an der Zeit loszulassen.

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