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Megalopolis bei Nacht: Die ikonische Gouache-Zeichnung "Downtown Cityscape" für das Setdesign von „Blade Runner“.

© Syd Mead

Science Fiction Klassiker: Die Setdesigns von Syd Mead entwerfen Zukunftsszenarien für Städte

Der Designer und "visuelle Futurist" war für die Gestaltung von Science-Fiction-Klassikern wie "Blade Runner" und "Tron" verantwortlich.

Von Andreas Busche

Dass die Zukunft immer gerade schon begonnen hat, war in den Siebzigern ein beliebter Science-Fiction-Topos. Die besten Zukunftsprojektionen speisen sich aus der Schnittmenge von Bekanntem und Unerreichbarem. Diesen Satz sagt sinngemäß der Designer Syd Mead in einem eigens für die Ausstellung „Future Cities“ produzierten Interviewfilmchen. In den Projekträumen des Architekturbüros O&O Baukunst sind 30 aufwendige Storyboards und Skizzen von Meads tatsächlich visionären Konzepten von Megastädten versammelt – in kraftvollen Farben, denen noch der Optimismus einer erstrebenswerten und gleichzeitig bewohnbaren Zukunft innewohnt.

Die Ironie besteht darin, dass ein Großteil der Bilder im O&O Depot als Entwürfe für Ridley Scotts dystopischen Klassiker "Blade Runner" angefertigt worden waren: die Vision für die 1981 noch weit entfernte Zukunft im November 2019. Scotts Los Angeles war ein dauerverregneter Moloch aus Hochhäusern, die sich in den Himmel erstrecken, und gigantischen Monitoren, zwischen denen futuristische Fahrzeuge fliegen. Den Vorlagen, auf die der Regisseur sich bezog, geht jedoch Scotts Pessimismus ab. Mead ist kein Technokrat, sondern ein Menschenfreund. Er wollte die Zukunft schön machen, sagt er in dem zehnminütigen Film. „Wir müssen für eine Zukunft arbeiten, in der alle kooperieren. Wenn dies nicht gelingt, haben wir ein Problem.“

Pionier des Industriedesigns

Mead ist für die Geschichte des Industriedesigns – er hat im „ Advanced Styling Center“ von Ford gearbeitet und die Interieurs der Concorde gestaltet – genauso wichtig wie für die Ikonografie des Science-Fiction-Kinos. Sein Setdesign für „Blade Runner“, nach dem „Star Trek“-Kinofilm (1980) seine zweite Arbeit in Hollywood, ist bis heute die visuelle Referenz schlechthin für unser Bild einer möglichen Zukunft. Nicht ohne Grund erinnert Teslas neuer „Cybertruck“ an die Autos, in denen der von Harrison Ford gespielte Kopfgeldjäger Rick Deckard auf Replikantenjagd geht.

Die Zeichnung "Future Urban Architecture" von 1979.
Die Zeichnung "Future Urban Architecture" von 1979.

© Syd Mead

Tritt man also im November 2019, dem Blade-Runner-Jahr, aus der Ausstellung zurück in die Charlottenburger Realität, wird man noch einmal daran erinnert, wie ambitioniert die Zukunftsprognosen der Vergangenheit – von „Metropolis“ bis „Blade Runner“ – doch waren. Der „Cybertruck“ sieht heute noch aus wie aus dem Labor der Science Fiction. Und statt Scotts used future Ästhetik zwischen patinierten Materialien und futuristischen Formen dominiert dieses Ende West-Berlins immer noch eine verlebte Gegenwart.

Die von Kurator Boris Hars-Tschachotin ausgewählten Zeichnungen in Gouache-Farben – Meads Lieblingsmaterial, weil es ähnlich wie Aquarellfarben eine bestechende Opazität und Leuchtkraft besitzt, was wiederum seiner skrupulösen Detailverliebtheit zugute kommt – besitzen aber auch eine faszinierende Vintage-Qualität. Ein verblüffender Kontrast zu den glatten CGI-Welten im gegenwärtigen Science-Fiction-Kino, das Mead gelegentlich noch mit seinen Ideen bereichert (etwa der loopförmigen Raumstation in „Elysium“ mit Parks und Highways). „Retro Deco“ nennt er seinen Stil, ein Mix verschiedenster Epochen. In „Blade Runner“ stehen Mayapyramiden neben futuristischer Überwältigungsarchitektur.

Die Zeichnung "Cityscape Lightening" von 1981, inspiriert von der Silhouette Tokios.
Die Zeichnung "Cityscape Lightening" von 1981, inspiriert von der Silhouette Tokios.

© Syd Mead

"Blade Runner" im Architekturmuseum

Es ist bezeichnend, dass im Blade-Runner-Jahr nicht das Filmmuseum (Hars-Tschachotin hatte dort zuvor die Ausstellung des Kubrick- und James-Bond-Designers Ken Adams kuratiert), sondern ein Architekturbüro Mead würdigt. O&O hat die Ausschreibung für ein Areal am Gleisdreieckpark gewonnen, an dem sie demnächst einige Ideen von Syd Mead unter Realbedingungen testen wollen.

Dass seine Stadtentwicklungspläne in der Praxis wenig Anklang fanden, mag daran liegen, dass Mead von der Topografie Tokios beeinflusst war, die sich nur schwer auf westliche Metropolen übertragen lässt. Einige dieser Entwürfe, in deren Details man sich regelrecht verlieren kann, sind auch im O&O zu sehen. Mead ist letztlich mehr „visueller Futurist“ (so sein Filmcredit), ein Theoretiker mit der ausgeprägten Gabe der Visualisierung, als Realist. Doch wozu ist die Science Fiction auch da, wenn nicht zum Spinnen?
Bis zum 16. Januar, O&O Depot, Leibnizstr. 60, Mo-Fr 15-19 Uhr

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